Hattingen. Klaus Sager hat in den 1970er-Jahren die Ausländerarbeit in Hattingen aufgebaut und geprägt. Das Haus Burgeck war seine Idee.
Anfang der Siebziger ruft Stadtdirektor Hans-Jürgen Augstein seinen Jugendpfleger Klaus Sager zu einem Gespräch. Er möge sich bitte um die Gastarbeiter in der Stadt kümmern, so die Bitte des Verwaltungschefs. Gesagt, getan: Der zupackende Sager gründet einen Koordinierungskreis und ruft so offiziell die Ausländerarbeit in Hattingen ins Leben.
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Schnell ist er der Papa. Nicht nur für seine eigenen Kinder Jürgen, Martin und Barbara, nein, auch für viele, die in oftmals schwierigen Lebenslagen den Weg an die Ruhr gefunden haben. Sager kümmert sich um die Familien der Gastarbeiter, um Flüchtlinge. Er organisiert Sprachkurse, hilft bei Amtswegen. Immer wieder wohnen Freunde aus Israel oder Portugal bei ihm im Haus. Er lebt Völkerverständigung.
Klaus Sager wird am 25. Juli 1931 in Berlin geboren. Nach dem Krieg verschlägt es ihn mit seiner Familie nach Bochum, sieben Jahre lang arbeitet er unter Tage. In seiner Wahlheimat Hattingen steigt er schließlich in die Sozialarbeit ein, geht zur Stadt, ins Jugendamt.
Klaus Sager ist kein Beamtentyp
Doch Sager ist kein Beamtentyp, er ist eher unkonventionell, er eckt an. In einem WAZ-Gespräch verrät er, dass er „schon immer das Fremde“ mag, das Anderssein. Und so muss Stadtdirektor Augstein nicht lange überlegen, wen er mit der Ausländerarbeit betrauen soll.
„Als das Wort Integration entstanden ist, waren wir schon mittendrin“, sagt Klaus Sager später. Schnell will er ein Zentrum aufbauen, in dem die Nationen zusammenkommen. Da passt es 1972 wunderbar, dass die Stadt das „Haus Burgeck“, ein ehemals beliebtes Tanzlokal mit Kegelbahn gekauft hat. Eigentlich soll es für die Umsetzung eines Stadtbahn-Projekts abgerissen werden, doch als daraus nichts wird, baut Klaus Sager hier eine Freizeit- und Begegnungsstätte für die 2900 in Hattingen lebenden Gastarbeiter auf. 35.000 DM kostet die Renovierung, im Herbst 1973 wird eröffnet.
Im Burgeck wird gefeiert und gelacht, gestritten und geweint
Im Burgeck wird gefeiert und gelacht, gestritten und geweint. „Es war vom ersten Tag an Leben im Haus, eine wunderbare Zeit“, sagt Sager kurz vor dem Abriss 2003. „Und es gab so viele Freiwillige, ohne die hätten wir das nie geschafft.“ Er selbst ist ab 1984 hauptamtlich an der Bahnhofstraße tätig, als Geschäftsführer des neu gegründeten Vereins zur Förderung der Ausländerarbeit (VFA) in Hattingen.
Verdienstkreuz verliehen
Im Jahr 2004 hat Bundespräsident Johannes Rau aus Anlass des Tages des Ehrenamtes das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Klaus Sager verliehen. Stellvertretend für NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück, überreichte Schul- und Jugendministerin Ute Schäfer die Auszeichnung.
Vor zwei Jahren, im August 2018, ist Klaus Sager im Alter von 87 Jahren gestorben.
Das Land nimmt Notiz davon. Bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Klaus Sager lässt der langjährige Landesvater Johannes Rau ausrichten, dass er für sein beispielhaftes Engagement ausgezeichnet werde, „durch das die Ausländerarbeit der Stadt Hattingen weit über die Stadtgrenze hinaus bekannt wurde und Modellcharakter für die Betreuung ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Nordrhein-Westfalen erlangte“.
Im Ruhestand noch Flüchtlinge in Bosnien betreut
„Mein Ziel war es immer, dass die deutsche Bevölkerung so gut es geht mitmacht“, so Klaus Sager. Die Integration steht für ihn immer im Vordergrund, das Brückenbauen, auch im Ruhestand, als er Flüchtlinge in Bosnien betreut. Die Menschen am Balkan sind ihm nahe, auch wegen Yogoslavija, dem jugoslawischen Verein im Haus Burgeck. „Kemnade International“, das Fest der Kulturen, fasst sein Anliegen wohl am besten zusammen.
Leider bricht eins nach dem anderen weg: Haus Burgeck wird wegen des Ruhrbrückenbaus abgerissen, „Kemnade International“ eingestellt, und der Verein zur Förderung der Ausländerarbeit löst sich zu seinem 25. Geburtstag im Jahr 2009 auf – weil das Geld und auch die Bereitschaft zur Mitarbeit fehlen. „Aber der Sinn des VFA wurde die ganze Zeit über gut erfüllt.“
Als Klaus Sager längst pensioniert ist, schallt am Essener Hauptbahnhof plötzlich ein „Hallo Papa“ vom anderen Gleis herüber. Einer der Asylbewerber, um die er sich in den Neunzigern kümmerte, hat ihn entdeckt. Sager sieht ihn, grüßt und weiß: Ja, alles richtig gemacht!
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