Hattingen. Reisebüros in Hattingen sind angeschlagen: Der Provisionsverlust liegt zum Teil im hohen fünfstelligen Bereich – und die Aussicht ist nicht gut.


Ratlosigkeit, Perspektivlosigkeit und trotzdem Kampfgeist für die Zukunft – diese Merkmale herrschen zurzeit in der Reisebranche. Die Pandemie durch das Coronavirus hat auch die Hattinger Reisebüros mit voller Wucht getroffen. Und ein Ende ist aktuell nicht in Sicht: „Eine kurze Zeit halten wir das noch durch, aber irgendwann ist Schluss“, sagen die Fachleute übereinstimmend.

Jetzt sind viele Mitarbeiter in Kurzarbeit, aber die Masse an Stornierungen hat nicht abgenommen. „Vor der Krise war ich schuldenfrei, jetzt musste ich einen Kredit aufnehmen, um überhaupt weitermachen zu können“, sagt Mike Nattermann vom City-Reisebüro. Der Provisionsverlust durch die abgesagten Reisen sei immens, im hohen fünfstelligen Bereich.

Reiselust der Hattinger ist immer noch sehr verhalten

„Und die Reiselust ist immer noch sehr, sehr verhalten“, schildert er die Lage. Vereinzelt gebe es kleine Buchungen, vor allem für Deutschland. Manchmal auch für Mallorca. „Aber jetzt gilt für die Insel wieder die Maskenpflicht. Auch wenn man sich draußen aufhält. Es ist zwar nachvollziehbar, aber trotzdem ein total desolater Zustand.“


Er sei mit auf der Demo in Berlin gewesen, „um darauf aufmerksam zu machen, wie miserabel es der Branche wirtschaftlich geht“. Provisionen würden zurückgehalten. Ein großer Dank gilt seiner Vermieterin, die ihm in dieser schwierigen Zeit entgegenkam. Kurzarbeit für die Mitarbeiter heiße, dass sie sich finanziell einschränken müssen, gleichzeitig türme sich bei ihm die Arbeit durch die Rückabwicklungen fast aller Reisen.

Ärger über Politiker, die sich Rückholaktion ans Revers heften

Sauer ist nicht nur Nattermann auf die Politiker: „Die heften sich die Rückholaktionen der festsitzenden Touristen in aller Welt ans Revers, und nehmen von den Menschen auch noch Geld. Es waren aber in erster Linie die Reiseveranstalter, die alles getan haben, um die Touristen nach Hause zu holen.“

Es laufe holprig, sagt Heidi Monetha vom Reisebüro am Domplatz in Niederwenigern. „Auch wenn die Kunden eine Reise antreten wollen, gibt es häufig gar keinen Flug dorthin oder das Hotel am Zielort hat gar nicht geöffnet. Wir empfehlen auf jeden Fall Pauschalreisen, damit die Kunden abgesichert sind.“ Auch Monetha hat Arbeit für drei Leute, hat aber zwei in Kurzarbeit, auf die sie kaum zurückgreifen kann.

Der Rattenschwanz, den die Corona-Krise nach sich zieht

Thomas Espey vom Altstadt-Reisebüro macht auf den „Rattenschwanz“ aufmerksam, den diese Krise nach sich zieht. „Viele, die in Kurzarbeit sind, haben ja auch kaum Geld, um in Urlaub zu fahren. Und an den Stränden der Nord- und Ostsee wird es mittlerweile eng. Für August und September kann man so gut wie keine Unterkünfte mehr anbieten. Und auf den Balearen muss man bei 30 Grad Celsius Mundschutz tragen. Wer will das?“


Werner Schardt, Geschäftsführer vo Derpart-Ruhrpress-Reisebüro, ist ratlos. „Wir sind zehn Personen, acht davon in Kurzarbeit auf zehn Prozent reduziert, damit niemand arbeitslos wird. Dabei ist gerade jetzt der Beratungsbedarf enorm“, sagt er. Seine Kollegen hätte er dringend gebraucht. Stornierungen für die Zukunft, Rückabwicklungen, Anrufe, damit „die Kunden endlich ihr Geld von den Veranstaltern zurückbekommen.“

Neben wenigen verärgerten Kunden, die immer noch auf ihr Geld für entgangenen Urlaub warten, hat er großes Lob für seine Klientel. „Einer hat für nächstes Jahr schon einen Gutschein in Höhe von 4000 Euro gekauft, damit wir überhaupt mal wieder Geld haben. Ein anderer hat uns 500 Euro gegeben. Seine Reise sei zwar ausgefallen, aber den Aufwand hätten wir ja trotzdem gehabt. So etwas macht wirklich Mut“, sagt er.