Hattingen. Chefarzt Dirk Neveling will Hanf als Heilmittel aus der Schmuddelecke holen. Und die Politik davon überzeugen, wie wichtig die Pflanze ist.

Einen spannenden Vortrag über medizinisches Cannabis gab es am Dienstagnachmittag im Forstmanns, dem neuen Kunstzentrum in Blankenstein. Dr. Dirk Neveling, Chefarzt der Klinik für Schmerztherapie im Katholischen Klinikum Bochum, zu dem auch die Klinik Blankenstein gehört, schilderte die Vorzüge der Cannabis-Therapie. Er machte aber auch klar, wie schwierig es immer noch ist, mit dem Heilmittel zu behandeln. Und wo und warum es Widerstände gibt.

Seit 2017 sei es in Deutschland endlich erlaubt, mit der Heilpflanze zu behandeln. In einen Rauschzustand komme niemand, der bei ihm in Behandlung ist. Seit 20 Jahren arbeitet der Chefarzt in der Schmerztherapie. „Hanf ist eine Pflanze, die schon vor 5000 Jahren als Heilpflanze eingesetzt worden ist. Sie ist deswegen so gut, weil es keine Nebenwirkungen gibt“, sagt er.

Das Heilmittel gibt es in Tropfenform, Kapseln und zum Verdampfen

Denn viele Patienten bekämen Antidepressiva oder Morphine und hätten eben fast immer mit Nebenwirkungen zu kämpfen. Wichtig sei auch, dass mit medizinischem Cannabis niemand zu Tode kommen kann. Cannabis wird bei chronischen Schmerzen, rheumatischen Erkrankungen, Depressionen, Migräne, ADHS, Juckreiz, posttraumatischen Störungen, Epilepsie und anderen Krankheiten eingesetzt.

Auch interessant

Mit der Entstehung der modernen Pharmakologie traten aber die therapeutischen Möglichkeiten in den Hintergrund und es wurde Hanf mit Missbrauch und Droge gleichgesetzt. „Ich möchte Cannabis aus der Schmuddelecke holen“, betont Dirk Neveling. Man müsse ganz nüchtern feststellen, dass es sich um eine sehr wertvolle Heilpflanze handelt.

Dr. Dirk Neveling, Chefarzt der Klinik für Schmerztherapie im Katholischen Klinikum Bochum, zu dem auch die Klinik Blankenstein gehört
Dr. Dirk Neveling, Chefarzt der Klinik für Schmerztherapie im Katholischen Klinikum Bochum, zu dem auch die Klinik Blankenstein gehört © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Das Heilmittel gibt es in Tropfenform, Kapseln und zum Verdampfen. „Wir fangen immer mit einer sehr niedrigen Dosis an“, betonte der Schmerztherapeut. Viele Patienten würden hervorragend mit dem Mittel zurecht kommen, aber genau da beginnen die Probleme.

Meistens werden die Anträge abgelehnt

Es müsse eine ganz klare medizinische Diagnose gestellt werden, um das Mittel anwenden zu dürfen. „Da die Krankenkassen immer wieder auf die hohen Kosten um die 400 Euro pro Monat hinweisen, muss ein Antrag für eine Kostenübernahme fundiert begründet werden. Aber meistens werden die Anträge abgelehnt.“

Es wird gefragt, ob man schon eine Therapie mit anderen Präparaten versucht habe, zum Beispiel mit Morphium. „Da wird nie mit einberechnet, dass auch heftige Kosten durch Nebenwirkungen entstehen“, erklärt der Chefarzt. Und natürlich sei auch die Pharmaindustrie nicht an einer Cannabis-Therapie interessiert, da sie in erster Linie ihre eigenen Produkte verkaufen möchte.

„Es ist kein Wundermittel, aber eine wertvolle Ergänzung“

Wer aber meine, er könne sich medizinisches Cannabis auf ein Privatrezept ausstellen lassen und bekomme es dann in einer deutschen Apotheke, der liege ebenfalls falsch. Das ginge zwar in Holland, aber das Mittel dann nach Deutschland einzuführen, sei illegal. „Wir müssen die Politik davon überzeugen, dass Hanf ein sehr wertvolles Heilmittel im Medizinbereich ist“, sagt der Schmerzspezialist.

In anderen Ländern sei man da mit medizinischem Cannabis viel weiter: Erlaubt sei es mittlerweile in Kanada, Australien, Israel und Holland. „Es ist kein Wundermittel, aber eine wertvolle Ergänzung der medizinischen Versorgung, weil die Lebensqualität bei vielen Patienten wieder steigt.“