Hattingen. In Hattingen ist die Abstandsregelung für manche kein, für andere ein Riesenproblem. Am Freitag läuft auf dem Untermarkt eine Protestaktion.

Wenn Gastronomen in Hattingen am Freitag, 8. Mai, von 11 bis 12 Uhr auf dem Untermarkt mit der Protestaktion "Leere Stühle" auf ihre Probleme in Corona-Zeiten aufmerksam machen, dann laufen teils parallel schon die Planungen für die Öffnung der Lokale. Ab Montag soll die laut Land NRW unter Auflagen möglich sein.

Detlef Müller von der Burg Blankenstein freut sich auf Montag. Die Vorbereitungen für die lang ersehnte Öffnung laufen. "Wir haben hier oben Platz. Die Schließung des Biergartens war sowieso nicht nachvollziehbar. Ich kann die Gäste ohne Probleme fünf Meter auseinandersetzen. Warum sollte hier nachmittags niemand Kaffee und Kuchen verzehren?"

Gastronomen in Hattingen bereiten die Öffnung in Corona-Zeiten vor

Allerdings sagt er auch: "Wir leben zu 99 Prozent von Gesellschaften. Die sind bis Juli alle abgesagt. Was da fehlt, ist nicht wieder aufzuholen. Wir haben zum Glück gut gewirtschaftet und haben Reserven. Ich habe niemanden entlassen." Die drei Hausmeister hätten während der Schließung in der Corona-Zeit einen alten Burgbrunnen ausgegraben. Der sei jetzt von innen toll beleuchtet. "Da gibt es auch für Kinder etwas zu erkunden." Mit Maske müsste das Personal im Service ab Montag arbeiten.

Sotiris Christanas vom Café Mexx möchte auch schon Montag öffnen, hoffte am Donnerstag noch auf eine abendliche Info seitens des Landes zu den genaueren Auflagen. Dass es losgeht, begrüßt er: "Die Gäste haben so lange gewartet. Die Abstände einzuhalten ist bei uns kein Problem." Einen Großeinkauf müsse er allerdings noch machen. Die Karte wolle er nicht reduzieren. "Jeder hat ja sein Lieblingsgericht. Ich will niemanden enttäuschen."

Im Fachwerkhaus vom Restaurant Fachwerk ist die Abstandsregel ein Problem

Semi Hassine vom Restaurant Fachwerk weiß noch nicht, ob er am Montag öffnet. Er wartete am Donnerstag noch auf ein offizielles Schreiben mit den Auflagen. "Aber wir werden die extrem kranken Auflagen ja gar nicht erfüllen können aufgrund der Räumlichkeiten. Das fängt an mit dem engen Eingang und hört auf mit dem offenen Gefache. Dann muss bei den Toiletten noch mal extra Platz sein. Das wird nicht funktionieren", beschreibt er das Problem.

Das Las Olas will auch bei einer Öffnung - wahrscheinlich am Dienstag kommender Woche, um alles vorzubereiten - den Lieferservice aufrecht erhalten. Im Café Auflauf stand am Donnerstag noch das Aufarbeiten der Stühle unter freiem Himmel an.

Wirte warten noch auf die genauen Auflagen

Heinz Bruns vom Haus Kemnade öffnet aus emotionalen Gründen. Denn "betriebswirtschaftlich ist das ein Fiasko", erklärt er. Zum ersten Mal in 35 Jahren habe er Mitarbeiter entlassen müssen, jetzt sowieso montags und dienstags Ruhetag. Er ist "überrascht von der Überreaktion von Land und Politik".

Montag wird er nicht öffnen, denn "wir müssen ja erst mal die Auflagen der Ordnungsämter der Städte abwarten. Für mich sind das Hattingen und Bochum." Für Donnerstagnachmittag hatte er eine Einladung, sich mit dem Bochumer Bürgermeister zu besprechen. "Empfohlen ist eine Öffnung ab Mittwoch." Dann werde auch das Restaurant Haus Kemnade öffnen.

Öffnung ist fürs Haus Kemnade ein betriebswirtschaftliches Fiasko - aber ein emotionales Muss

Zwar hat Bruns am Donnerstag nach der langen Schließung auch die erste Reservierung für einen Tisch in der kommenden Woche angenommen. "Aber ich muss alle Kühlhäuser hochfahren, habe 100 Prozent Kosten, aber es ist unklar, ob Gäste kommen - und wenn, dann kann ich aufgrund der Abstandsregeln ja nur die Hälfte bedienen", erklärt er. Es sei wichtig zu öffnen, weil Kunden sich sonst verprellt fühlten. "Öffnen wir nicht, heißt es, wir haben es nicht nötig." Das Hauptgeschäft, die Familien-Feiern, fielen derzeit weg. Besser hätte er gefunden, ab Juni zu öffnen. Und dann auch Feiern zuzulassen.

"Das Personal trägt Masken, es gibt in Restaurants 19 Prozent Mehrwertsteuer, weil das als Luxusgut gilt. Aber was hat das mit Luxus zu tun?" Twar sei die Steuer grad auf sieben Prozent reduziert, aber "Tarifverhandlungen stehen vor der Tür. Da sagen Gewerkschaften dann, dass wir derzeit nur sieben Prozent Mehrwertsteuern zahlen, aber das endet ja auch. Und die Bierpreiserhöhung wird auch nachgeholt werden. Das alles führt dazu, dass wir zwei drei Jahre wirtschaftliche Probleme wegen der Corona-Krise haben werden. Ich bin überzeugt, dass viele schließen werden."

Info:

Die Protestaktion „Leere Stühle“ läuft seit drei Wochen jeden Freitag in unterschiedlichen Städten Deutschlands.

Damit möchte die Branche auf die existenzbedrohenden Probleme während der Corona-Krise aufmerksam machen. "Auch die verkündeten Lockerungen für die Restaurants und Hotels können nicht darüber hinweg täuschen, dass viele Betriebe vor dem wirtschaftlichen Aus stehen", sagt Lars Martin, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Dehoga Westfalen.

Beteiligung zugesagt haben: Haus Kemnade, Las Olas / Pintxos / Gleis 79, Fachwerk, Torkelkeller, Zur Glocke, Vollmond, Café Mexx / Mexx Bar, Pizzeria Tonino / Ristorante Tonino, Café „Am".