Hattingen. Ab dem 12. Mai starten in NRW die Abitur-Prüfungen. Was zwei Hattinger von der Entscheidung halten, trotz Corona-Krise an diesen festzuhalten.

Ab dem 12. Mai starten in NRW die Abitur-Prüfungen - auch für die beiden Hattinger Amelie Eberhardt und Tom Deska. Was halten sie von der Entscheidung, trotz Corona-Krise an diesen festzuhalten?

Amelie Eberhardt (18) sagt, sie hätte es besser gefunden, wenn die Abitur-Prüfungen in diesem Jahr abgesagt worden wären - „das hätte für uns Abiturienten weniger Stress bedeutet, für die Schulen wäre es weniger Aufwand gewesen, vor allem aber wäre das gesundheitliche Risiko für alle Beteiligten und ihre Angehörigen deutlich geringer gewesen“.

Mit einem Durchschnitts-Abi hätte Amelie Eberhardt sich durchaus gerecht bewertet gefühlt

Ein Durchschnitts-Abitur, wie es Schüler in einer bundesweiten Online-Petition gefordert hatten: Das hätte die 18-Jährige keineswegs als Abi zweiter Klasse empfunden, „ich hätte mich damit durchaus gerecht bewertet gefühlt. Schließlich habe ich bis jetzt konstant meine Leistungen gebracht. Ich hätte mich, wenn alles normal läuft, zudem kaum noch verbessern oder verschlechtern können“. Beim Durchschnittsabi hätte dabei die Endnote aus den in den letzten vier Halbjahren erbrachten Leistungen errechnet werden sollen – ohne die Abi-Prüfungen.

Auf eine Absage dieser spekuliert hat die Schülerin des Gymnasiums Waldstraße aber nicht. Sondern sich vom 13. März an, da sie unerwarteterweise ihren letzten regulären Schultag erlebte, daheim diszipliniert weiter auf die Prüfungen vorbereitet: "Damit, mich eigenständig zum Lernen zu motivieren, habe ich grundsätzlich keine Probleme." Das ständige Hin und Her ums Abitur sei aber auch für sie eine zusätzliche emotionale Belastung gewesen.

Die Wiederöffnung der Schulen sieht die Schülerin des Gymnasiums Waldstraße zwiegespalten

Dass die Schulen in NRW jüngst wieder für die ersten Schüler geöffnet worden sind, sieht Amelie Eberhardt zwiegespalten. In Philosophie und Biologie, ihrem dritten und vierten Abiturfach, nimmt sie nun aber auf freiwilliger Basis die Lernangebote in der Schule wahr. „Dort sitzen wir in Kleinstgruppen von drei bzw. vier Schülern in einem Raum, da ist die Ansteckungsgefahr mit Corona ja nicht ganz so groß.“ Auf die Prüfungen in ihren Leistungskursen Deutsch und Englisch bereitet sie sich derweil weiter nur zu Hause vor – auch, weil dort mehr Schüler zusammenkämen, möchte sie so sich und andere schützen.

Denn gerade in diesen Zeiten, findet Amelie Eberhardt, geht es um weit mehr als die eigene Reifeprüfung: die Gesundheit einer ganzen Gesellschaft.

Das Schulgelände betritt Tom Deska, Abiturient am Gymnasium Holthausen, stets mit Schutzmaske

So sieht das auch Tom Deska (18). Zwar nutzt der Abiturient am Gymnasium Holthausen in der Schule die Vorbereitungsangebote in all‘ seinen Abifächern (Englisch, Biologie, Mathe, Religion) - „da ich im persönlichen Kontakt mit den Lehrern deutlich besser lernen kann als allein zu Hause“. Aber das Schulgelände betritt er stets mit Schutzmaske, nimmt diese erst im Kursraum ab. Und trotzdem bleibe stets „das ungute Gefühl, dass ich mich durch vermehrten Kontakt unbemerkt mit dem Corona-Virus anstecke und dadurch ungewollt dazu beitrage, dass sich dieses wieder ausbreitet, durch mich womöglich sogar jemand in Lebensgefahr gerät. Wenn die Infektionszahlen wieder nach oben schnellen, würde ich mich mitschuldig fühlen“.

Als hoch belastend empfindet Tom Deska denn auch die derzeitige Situation.

Er fragt sich, ob für alle Abiturienten die Chancengleichheit noch gewahrt ist

Er sagt, sich mitten in der Corona-Pandemie voll aufs Abitur zu konzentrieren, falle dabei nicht nur ihm nicht leicht. Neben Motivationsproblemen in der Phase, als unklar war, was mit den Abschlussprüfungen überhaupt wird, wisse er zum Beispiel, dass einige Mitschüler zu Hause umgeben von kleinen Geschwistern lernen müssten. Bei anderen seien die Eltern in Kurzarbeit, da sei die finanzielle Existenz gerade das alles beherrschende Thema. Und weitere hätten Eltern, die aufgrund von Vorerkrankungen besonders gefährdet seien, an Corona zu erkranken. „Aus der Sorge heraus, diese anzustecken, verzichten diese Schüler dann auf die Vorbereitungsangebote in der Schule. Sieht so Chancengleichheit aus?“

Tom Deska sagt, es hätte nicht zuletzt aufgrund derartiger Beispiele sehr viel dafür gesprochen, auf die Abi-Prüfungen 2020 zu verzichten, auch er hätte dies sehr begrüßt. Leider aber habe die Politik entschieden, dass es in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation zwar für vieles, nicht aber für das Abitur eine Ausnahme gibt.​

Der Zeitplan für die Abi-Prüfungen

Wegen des Coronavirus hat die Landesregierung NRW die diesjährigen Abitur-Prüfungen für die rund 88.000 Schüler an Gymnasien, Gesamtschulen, Weiterbildungskollegs und Waldorfschulen sowie den Beruflichen Gymnasien der Berufskollegs um drei Wochen nach hinten verschoben.

Die schriftlichen Abiturprüfungen beginnen nun am Dienstag, 12. Mai, die mündlichen Prüfungen im vierten Abiturfach am Dienstag, 26. Mai. Letzter Tag der Zeugnisausgabe ist Samstag, 27. Juni.