Hattingen. Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen ringen um ihre Existenz. Wegen des Coronavirus bleiben in Hattingen viele Patienten weg.

Die lange Liste der Berufsgruppen, die durch die Corona-Krise schwer gebeutelt sind, nimmt kein Ende. Zum Teil existenzbedrohend wird die Lage für Therapeuten der Physio- und Ergotherapie, für Logopäden und Podologen.

Patienten sagen aus Angst vor dem Virus ihre Termine ab. Andere gehen davon aus, dass diese Praxen geschlossen sind. Das aber ist falsch. Sie sind geöffnet.

Coronavirus: Unterschied zwischen Pandemie und Epidemie

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    "Für uns Physiotherapeuten weiß ich es genau", sagt Anke Braun-Kriegeskorte von der Krankengymnastik Kriegeskorte. "Wir gehören zur kritischen Infrastruktur und sollen geöffnet bleiben für medizinisch notwendige Therapie. Das sind die, die vom Arzt verordnet werden." Es seien ja keine Massagepraxen.

    In einem dringenden Aufruf appelliert der Verband an die Politik

    Von den Pflegeheimen hat die Regierung die Therapeuten aus Sicherheit für die alten Menschen ausgeschlossen. Das aber sei sehr kritisch für die Bewohner, sagen die medizinischen Fachleute.

    "Denn wenn die Menschen nicht behandelt werden, werden sie schnell immobil. Patienten, bei denen Lymphdrainage notwendig ist, bekommen stark geschwollene, scherzhafte Extremitäten."

    In einem dringenden Aufruf appelliert jetzt auch der Verband an die Politik, weil den "Heilmittel-Erbringern der finanzielle Ruin droht". Sollten Praxen aus finanziellen Gründen schließen müssen, werde das aber nicht nur in der Krise, sondern auf Dauer massive Versorgungsprobleme bringen, was am Ende allen Patienten schade, weil es Heilungsprozesse verzögere oder unmöglich mache.

    Gerade bei älteren Patienten treten neurologische Probleme auf

    Auch die Logopäden trifft die Krise hart. "Es ist wirklich dramatisch. Wir dürfen nicht mehr in die Heime zu den Menschen, die uns dringend brauchen", sagt Felicitas Wiese, die eine Logopädie-Praxis in Niederwenigern hat – mit insgesamt acht Mitarbeitern. Fünf davon arbeiten als Therapeuten.

    Gerade bei älteren Patienten würden neurologische Probleme auftreten - durch Schlaganfälle, Parkinson oder Multiple Sklerose. Diese Patienten bekämen schnell Schluckbeschwerden, also müsse man trainieren, damit sie das Schlucken nicht verlernen.

    "Wir sind ja nie als wirklich wichtig wahrgenommen worden"

    "Doch die Heilmittel-Erbringer sind immer noch nicht im finanziellen Hilfsprogramm der Bundesregierung. Ohnehin ist die Vergütung in dem Berufszweig ja gering, weil wir nie als wirklich wichtig wahrgenommen werden", sagt die Logopädin.

    Aber wenn ein Patient nicht mehr schlucken könne und eine Magensonde benötige, sei das um ein Vielfaches teurer als die Arbeit eines Logopäden. Außerdem hätten diese schwer kranken Menschen eine deutliche Minderung der Lebensqualität. Während die anderen gemeinsam essen, liege der Patient mit Magensonde alleine in seinem Zimmer.

    Eine Mitarbeiterin näht zurzeit Mundschutz aus dreilagiger Baumwolle

    "Uns bleiben bisher schon 85 Prozent der Patienten weg. In die Heime dürfen wir nicht, viele Eltern schicken die Kinder nicht mehr zu uns – aus Angst, dass sie sich anstecken. Diejenigen, die sonst mit dem Bus kommen, verzichten auf die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln."

    Dabei liegen für die Patienten in der Praxis mittlerweile Schutzmittel bereit. Eine Mitarbeiterin von Felicitas Wiese näht in Eigenarbeit zurzeit Mundschutz aus dreilagiger Baumwolle, so dass diejenigen, die ihn tragen, andere kaum anstrecken können, weil – zum Beispiel beim Husten oder Niesen – die Tröpfchen in der Baumwolle bleiben.

    Bei den Podologen sieht die Arbeitslage ähnlich düster aus. Bei manchen Praxen läuft ein Band, das die Praxis geschlossen bleibt, andere gehen gar nicht mehr ans Telefon.

    Dringender Appell an die Krankenkassen

    Der Verband der Heilmittel-Erbringer fordert finanzielle Soforthilfen von der gesetzlichen Krankenversicherung - in Form von Ausgleichszahlungen. „Wenn wir keine Leistungen erbringen können, entstehen den Krankenkassen keine Kosten“, heißt es.

    Ganz im Gegenteil, die Kassen profitierten finanziell von dieser Situation, denn die Kosten für Physio- und Ergotherapie, für Logopädie und Podologie seien im Haushaltsplan der Kassen bereits eingeplant. Es bringe sie also nicht in Schwierigkeiten, eine Soforthilfe zu zahlen, um die Umsatzeinbußen auszugleichen. Es rette aber Existenzen.