Hattingen. Raffaela Busse aus Hattingen hat ein Jahr in der Amundsen-Scott-Station am Südpol verbracht. Sie schreibt ihre Doktorarbeit und will hoch hinaus,
Ein ganzes Jahr lang an einem Ort verbringen, an dem es mehr dunkel als hell ist, an dem es viel kälter als kalt ist und an dem das Handy eben nicht rund um die Uhr den Kontakt zur Außenwelt sicherstellen kann – wer kann sich das schon vorstellen? Raffaela Busse konnte sich das vorstellen – und hat das Abenteuer gewagt. Jetzt kann sie davon berichten, denn die Winz-Baakerin hat 2017/18 ein Jahr lang in der US-amerikanischen Amundsen-Scott-Station am Südpol verbracht.
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Will sagen: Sie hat da gearbeitet, wo andere keinen Urlaub machen. Immer auf der Suche nach Neutrinos, unbeschreiblich kleinen Lichtteilchen, die durch die Luft und durch uns hindurch fliegen. Einige davon gibt es häufig, andere selten. Was die Forscherin interessiert? Natürlich die sehr seltenen.
Abitur im Jahr 2010 am Gymnasium Waldstraße
Im Jahr 2010 hat Raffaela Busse ihr Abitur am Gymnasium Waldstraße bestanden. „Freu’ Dich, so lange Du noch in die Schule gehen kannst, später wirst Du Dich irgendwann zurücksehnen, sagen Eltern immer wieder ihren Kindern“, hat die WAZ damals zum Bild der erfolgreichen Abiturienten geschrieben. Ob sie an den langen Tagen, nein, in den langen Nächten, denn ein halbes Jahr dieses ganzen Jahres war es durchgehend dunkel, daran mal denkt, behält sie wohl eher für sich, denn die Aufgabe ist mehr als spannend. Denn sie ist für die 100 Computer verantwortlich, die die Daten der Forschungsstation auswerten. „Wenn ein Fehler aufgetreten ist, musste ich los“, erzählt sie in einem WAZ-Interview. Und das heißt: zwei dicke Hosen anziehen, zwei dicke Jacken, vier Paar Strümpfe und vier Paar Handschuhe. „Das waren keine Wahlmöglichkeiten, das musste ich jedes Mal alles anziehen, wenn ich ins Freie musste.“ Die Temperaturen bewegen sich am geografischen Südpol bis zu 70 Grad minus.
Neid auf den Rekord-Sommer 2018 in Deutschland
Schnitt. Hattingen. Hochsommer. Der Rekord-Hochsommer 2018. „Ich war schon ganz neidisch, als mir alle Fotos geschickt haben. Ist ja klar, dass wir einmal einen vernünftigen Sommer haben, wenn ich grade mal ein Jahr im Eis feststecke“, schreibt Busse aus der Station der Nachrichtenagentur dpa. Und ergänzt: „Auf der einen Seite geht die Zeit geht viel zu schnell rum, auf der anderen Seite habe ich auch langsam die Nase voll von Dunkelheit.“
Sieben Frauen und drei Männer waren sie, die in unserem Sommer am Südpol überwintert haben. Die Jüngste 23, der Älteste 75 Jahre alt. Es sind Monate, in denen man quasi abgeschnitten ist von der restlichen Welt. „Ja, man kann mailen, vielleicht anrufen, das heißt aber nicht, dass ein Flugzeug kommen kann. Doch das weiß man ja vorher.“
Master am Institut für Kernphysik an der Uni Münster
Zurück zu Raffaela Busses Lebensweg: Nach dem Abitur landet sie schließlich am Institut für Kernphysik an der Universität Münster. „Das Abenteuer, der Traum“, wie sie es beschreibt, startet nach Ende ihres Studiums und vor dem Start ihrer Doktor-Arbeit. Und die Zeit hat sie verändert, das gibt sie zu: „Geduldiger“ sei sie geworden, „gelassener“. Und etwas empathischer. „Man lernt sich selbst besser kennen – und beginnt anders über die Welt zu denken.“
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Zeit dazu gab es genug, etwa beim Putzen und Schneeschippen, ja beim Schneeschippen am Südpol, was jeder mal machen muss. Spanisch und Chinesisch hat sie gelernt. Überlegt, was wohl als nächstes kommt. Ergebnis: Raffaela Busse will hoch hinaus – „ich würde ich gerne mal in den Weltraum fliegen“.
>>> Zu Hause in Hattingen erst einmal ausgemistet
Raffaela Busse hat „echte Schwierigkeiten gehabt, sich in Deutschland wieder einzugewöhnen“. Am Pol sei das Leben simpel gewesen, „hier muss ich mich wieder um alles selber kümmern.“
Die 28-Jährige sagt: „Ich habe am Pol gemerkt, wie viele Dinge man nicht braucht“, sagt sie. „Zurück in Hattingen habe ich dann erst einmal ausgemistet.“