Hattingen. In Hattingen hat der letzte Arzt für Großtiere aufgegeben – jetzt müssen die Landwirte lange Anfahrtszeiten und höhere Gebühren in Kauf nehmen.
Noch im Jahr 2010 hatte Tierarzt Rüdiger Wolf einen Operationssaal für Großtiere bauen lassen, direkt neben seiner Tierarztpraxis am Beul. Jahrzehnte lang betreute er die Wiederkäuer der heimischen Landwirte – aber die verschärften Kontrollen der Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienste wirken sich auch auf diesen Bereich aus. Neben dem Haustier-Notdienst musste Wolf auch die Behandlung der Großtiere aufgeben. „Für den ständigen Bereitschaftsdienst ist viel Personal erforderlich“, erklärt Wolf.
Er klingt verärgert, wenn er über die Einschränkungen redet: „Man kann alles regulieren. Aber einer Kuh kann man nicht beibringen, dass sie gefälligst nicht nachts, sondern zu den Öffnungszeiten der Tierarztpraxis kalben soll.“
Schwierig ist es bei Akutfällen wie dem Kalben
Landwirt Peter Oberdellmann sieht ebenfalls hier die Problematik. Für die Routine-Behandlungen hatte er schnell Ersatz parat. Ein Tierarzt aus dem Münsterland kommt einmal im Jahr, fährt seine Landwirte im Ennepe-Ruhr-Kreis ab, und nimmt Blutproben der Tiere, impft sie. „Schwierig wird es bei Akutfällen wie dem Kalben“, weiß Oberdellmann. Verdreht sich etwa ein Kalb im Geburtskanal zählt jede Sekunde. Der Tierarzt aus Münster braucht aber sicherlich eine Stunde, um herauszufahren.
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„Wir befinden uns hier in einer Ballungsrandzone“, sagt der Holthauser Oberdellmann. Damit meint der Landwirt, dass hier nicht die Massentierhaltung wie andernorts praktiziert wird. Deshalb gebe es mehr Tierärzte für Hund, Katze und Maus. „Im Münsterland ist die Schweinemast und im Oberbergischen die Milchkuhhaltung verbreitet. Dort gibt es dann auch die entsprechenden Ärzte“, weiß er.
Durch die Anfahrt haben sich die Gebühren erhöht
Oberdellmann selbst hält nur Färsen, das sind junge Kühe, die noch nicht gekalbt haben und somit keine Milch produzieren. Für ihn wird sich der Akutfall des verdrehten Kalbs also nie einstellen.
Auerochsen grasen am Fuße des Isenbergs
Den meisten Hattingerinnen und Hattingern sind sie schon einmal aufgefallen: die Auerochsen des Schultenhofs, die am Fuße des Isenbergs in den Ruhrwiesen grasen und wachsen.
„Hier finden die Auerochsen optimale Lebensbedingungen, um sich zu jenen Kolossen zu entwickeln“, schreibt der Schultenhof auf seiner Internetseite (www.der-schultenhof.de). Nicht nur für Wanderer und Radfahrer sei es „eine besondere Attraktion wenn sie auf ungewohnte Weise mit den mächtigen Tieren in Blickkontakt treten“.
Anders sieht es dagegen beim Schafzüchter Martin Maszull aus. „Die Großtierversorgung ist hier im Gebiet ein generelles Problem“, meint er. Seine Shropshire Schafe werden prophylaktisch vom selben Tierarzt behandelt wie die Rinder von Oberdellmann. Wenn ein Hund hinter einem Schaf hergewetzt ist oder ein Tier sich im Zaun verfangen hat, wünscht sich Maszull jedoch schnellere Hilfe. „Durch die Anfahrt haben sich ja außerdem die Gebühren erhöht“, berichtet der Schafzüchter.
Schultenhof arbeitet mit Arzt aus Gevelsberg zusammen
Alfred Schulte-Stade kann sich den Sorgen indes nicht anschließen. Der Betreiber des Schultenhofs lässt seine Nutztiere – zum Beispiel seine Auerochsen, die in den Ruhrwiesen grasen – seit rund 20 Jahren von einem Arzt aus Gevelsberg behandeln.