Hattingen. Die Straftaten von Jugendlichen in Hattingen werden weniger, aber oft umso heftiger. Nicht für jeden Täter kommt ein Anti-Gewalttraining in Frage

Immer weniger Jugendliche müssen an einem Anti-Gewalttraining teilnehmen. Thomas Behr von der Jugendgerichtshilfe legt Zahlen auf den Tisch: Ein einziger Jugendlicher aus Hattingen hat im Jahr 2017 an einer solchen Veranstaltung teilgenommen, ein weiterer im Jahr 2018.

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Heißt: Es gibt immer weniger Straftaten bei Jugendlichen. Das widerspricht zwar dem allgemeinen Empfinden in der Bevölkerung, aber der allgemeine Trend trifft auch auf Hattingen zu. Die Straftaten nehmen ab, aber die, die passieren, sind oft ausgesprochen heftig.

„Grundsätzlich ist es so, dass Mädchen eher einen Ladendiebstahl begehen, Jungen dagegen neigen zu Gewalttaten“, erklärt Juliane Lubisch, Abteilungsleiterin des Jugendamtes. Dass weniger Jugendliche an Anti-Gewalttrainings teilnehmen, liegt aber auch daran, dass nicht alle Täter in Frage kommen.

Gruppen aus dem gesamten EN-Kreis werde

Jugendgerichtshelfer Thomas Behr und Juliane Lubisch vom Jugendamt sprechen über die Entwicklung von Anti-Gewalttrainings bei jugendlichen Straftätern.
Jugendgerichtshelfer Thomas Behr und Juliane Lubisch vom Jugendamt sprechen über die Entwicklung von Anti-Gewalttrainings bei jugendlichen Straftätern. © Funke Foto Services GmbH | Fischer

„Wir haben für die Gruppen, die fast aus dem gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis zusammengestellt werden, hochqualifizierte, externe Trainer“, sagt Behr. Die einzelnen Taten werden in den kleinen Gruppen aufgearbeitet, dabei läuft viel über Sprache. Das heißt, die jungen Männer müssen die deutsche Sprache schon einigermaßen beherrschen. Auch Intensivtäter kämen nicht in Frage, denn an die komme man mit solchen Maßnahmen nicht heran.

Die Trainer sind für diese Aufgabe speziell ausgebildet. Ersttäter zum Beispiel kommen in die Kurse. Da gibt es Rollenspiele. Zum Beispiel müssen sich die Täter in die Rolle des Opfers hineinversetzen. „Manchmal sind sie es dann, die am Boden liegen und so erst begreifen, was das bedeutet“, erklärt Thomas Behr.

Was Körperhaltung beim Gegenüber bewirken kann

Es sind oft Täter, die durch besonders aggressives Verhalten auffällig geworden sind. In den Kursen geht es ans „Eingemachte“. Da wird das eigene Verhalten kritisch unter die Lupe genommen, es wird das Rollenbild des Täters hinterfragt, es geht auch um die Körperhaltung, was sie bewirkt und was sie dem Gegenüber signalisiert.

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Die Jugendlichen lernen, wie sie Konfliktsituationen vermeiden und Provokationen aus dem Weg gehen können. Behr: „Dass die Polizei ganz andere Zahlen hat als das Jugendamt, ist einfach erklärt. Denn die Polizei ermittelt in jedem Fall, der angezeigt wird. Dann geht es weiter an die Staatsanwaltschaft und die entscheidet, ob ein Verfahren eröffnet wird.“

Verhaltensänderung bei den Jugendlichen erreichen

Manchmal gehe es um Bagatellfälle. „Dann sitzt hier ein Mädchen, das einen Lippenstift für 3,49 Euro geklaut hat weinend mit der Mutter bei uns. Oft reicht ein Gespräch aus, in dem man die Konsequenzen aufzeigt, die ein solches Fehlverhalten nach sich ziehen kann.“

Wichtig sei, eine Verhaltensänderung bei den Jugendlichen zu erreichen. Beim Präventionskurs „Diebstahl“ werden zum Beispiel Gespräche mit einem Geschäftsmann geführt, der aus seiner Sicht schildert, was ein Ladendiebstahl für ihn bedeutet. Es geht auch um den Schaden und um Kosten, die Diebstähle verursachen.

Kurse kommen nicht für alle Täter in Frage

Thomas Behr macht klar, dass solche Kurse aus unterschiedlichen Gründen nicht für alle Täter in Frage kommen. Wer nicht gewillt ist, an solchen Trainings teilzunehmen, für den gibt es manchmal nur noch die Jugendarrestanstalt für Jungen in Bottrop. In vielen Fällen werden zunächst auch erst Gutachten angefordert, die klären, ob die jungen Straftäter schuldfähig sind.