Hattingen. Die SPD Hattingen verliert bei der Europawahl mehr als 15 Prozentpunkte. Die CDU ist trotz Verlusten erstmals vorne. Höhenflug für die Grünen.

Sieger und Verlierer sprechen von einem historischen Paukenschlag: Die SPD schmiert bei der Europawahl regelrecht ab, fällt von 38,3 auf 22,8 Prozent zurück und rutscht damit auf Platz drei hinter CDU und Grünen.

Die Christdemokraten gewinnen die Wahl trotz deutlicher Verluste. 24,4 Prozent reichen zum Spitzenplatz. Und die Grünen feiern ihren Höhenflug. Nach 10,3 Prozent vor fünf Jahren erreichen sie jetzt 22,9 Prozent und schieben sich zwischen CDU und SPD. Insgesamt erfreulich ist die Wahlbeteiligung. Sie steigt von 52,7 auf 62,3 Prozent an.

Richtungswechsel in der politischen Landschaft

„Wir erleben einen Richtungswechsel in der politischen Landschaft“, kommentiert SPD-Parteichef Manfred Lehmann das Wahlergebnis. „Die Grünen sind oben angekommen.“ In Hattingen gehe es für die SPD jetzt darum, „ihre pragmatische Arbeit fortzuführen“.

Zwiespältig blickt Gerhard Nörenberg auf das Wahlergebnis. „Wir haben stark verloren, auch wenn ich nicht von einer Klatsche sprechen möchte“, sagt der CDU-Parteichef. In Europa sei vieles falsch gelaufen, das werde richtigerweise kritisiert. Dass die CDU in Hattingen bei einer Wahl vor der SPD liegt, habe es allerdings noch nie gegeben. „Das ist ein historischer Erfolg.“

Wahlausgang ist ein „historischer Paukenschlag“

Als „historischen Paukenschlag“ wertet auch Oliver Degner den Wahlausgang. „Das ist ein fantastisches Ergebnis und ein klarer Auftrag, unsere Themen Klimaschutz und Soziale Gerechtigkeit weiter voranzutreiben“, meint der Sprecher örtlichen Grünen. Degner ist sicher, dass der Wahlerfolg auf europäischer Bühne den Grünen hilft, ihre Themen auch in Hattingen stärker zu verankern.

Robin Thiele freut sich über ein deutlich besseres Ergebnis für die FDP. „Wir haben uns in den vergangenen Jahren inhaltlich und personell sehr verändert – vor allem weg von einer Klientelpartei“, sagt der Vorsitzende der Hattinger Liberalen. Den Grünen gratuliert er zum Wahlerfolg. „Der wird sich bei der Kommunalwahl allerdings wieder relativieren.“

Mit sozialen Themen die Wähler nicht erreicht

Enttäuscht blickt Gertraude Pleiger auf das Wahlergebnis. Die Sprecherin der Linken hadert vor allem mir einer Platzierung hinter der AfD. „Wir haben mit unseren sozialen Themen die Wähler nicht erreicht und müssen weiter daran arbeiten“, sagt Pleiger. Mut macht ihr die gestiegene Wahlbeteiligung und dass die AfD nicht noch stärker wurde.

Bürgermeister Dirk Glaser sieht die hohen Verluste der SPD und die großen Zugewinne der Grünen als „Erdrutsch“. Es sei bedenklich, dass die Europa-Gegner so viele Stimmen bekommen haben, aber hier müsse man für Hattingen: „Es hätte schlimmer kommen können.“

>>> KOMMENTAR: Ein grünes Signal

Brüssel ist nicht Hattingen, die Europawahl kein Test für die Kommunalwahl im nächsten Jahr. Und dennoch können die örtlichen Parteien einiges vom Wahlverhalten am Sonntag lernen.

Ulrich Laibacher, Lokalchef der WAZ Hattingen
Ulrich Laibacher, Lokalchef der WAZ Hattingen © WAZ | speckenwirth

Klimaschutz bewegt die Menschen. Und ganz offensichtlich haben die Bürgerinnen und Bürger nicht den Eindruck, dass sich die beiden großen Parteien nachhaltig darum kümmern. Das führt dazu, dass SPD und CDU massiv abgestraft werden. Und zu einem wahren Höhenflug neuer Stärke der Grünen – auch in Hattingen. Eine europäische Momentaufnahme, ja doch. Aber auch ein Signal.

Hattingen hat den Klimawandel bisher schlicht verschlafen. Eben erst hat sich die Stadtverwaltung auf den Weg gemacht, ein Klimaschutzkonzept auf die Beine zu stellen. Es gibt Informationsrunden und Workshops. Man will die Bürger mitnehmen und natürlich auch Fördermittel. Nach Prioritäten­setzung und energischem Handeln sieht das nicht aus.

Gut möglich, dass die Politik bei diesem Thema jetzt Tempo macht. Die Wähler sitzen ihnen im Nacken. Haben am Sonntag auf ihren Stimmzetteln markiert, was ihnen wichtig ist. Ein Wahlkampfthema für 2020 ist damit gesetzt.

Ulrich Laibacher