Hattingen. . Thomas Birg und Wilfried Korngiebel präsentieren alternativen Stadtrundgang. Er führt zu Orten, die mit dem Nationalsozialismus verbunden sind.

Hattingen im Nationalsozialismus: Unter diesem Titel steht der alternative Stadtrundgang von Thomas Birg und Wilfried Korngiebel vom Bündnis gegen Rechts. Im Rahmen der Aktionswochen „Hattingen hat Haltung“ boten die Referenten als Premiere den speziellen Rundgang an. Wie und warum sich der Hitlerfaschismus in Hattingen zeigte, wurde auf der mehr als zwei Stunden dauernden Tour geklärt.

„Einiges, was heute erzählt wurde, kennt man, hat man schon mal gehört“, bemerkt Teilnehmer Wolfgang Gojdka. „Allerdings war es sehr eindringlich, die Bilder und Zeitzeugenberichte gezeigt zu bekommen“, erzählt er weiter. Es sei erschreckend, die Parallelen zur heutigen Entwicklung in der Gesellschaft zu sehen. Bei neun Stationen wurde Halt gemacht und die Historie des Nationalsozialismus in Hattingen erklärt.

Rathaus

Am Rathaus beginnt die Tour von Thomas Birg und Wilfried Korngiebel durch die Innenstadt.
Am Rathaus beginnt die Tour von Thomas Birg und Wilfried Korngiebel durch die Innenstadt.

Zwangsarbeit war auch in Hattingen ein Thema. Ob Kriegsgefangene, zivile Zwangsarbeiter oder Häftlinge aus Konzentrationslagern: Sie alle hatten unter der Folter und Demütigungen zu leiden. So waren zwischen 1939 und 1945 mehr als 10.000 Zwangsarbeiter in Hattingen – wovon nachweislich mindestens 356 starben. Nur wenige Tage vor dem Ende der Hitlerherrschaft wurden auf dem Hof des Hattinger Rathauses vier sowjetische Gefangene exekutiert.

Altes Rathaus

Ab 1918 tagte im Alten Rathaus der Hattinger Arbeiter- und Soldatenrat. Zu ihm gehörte auch der Hattinger Karl Harbach, der am Matrosenaufstand in Kiel im November 1918 teilgenommen haben soll. Harbach wurde im späteren Verlauf gemeinsam mit seiner politisch aktiven Frau in Berlin ermordet.

Cafè Mexx

Der heute beliebte Treffpunkt beherbergte zu Zeiten der nationalsozialistischen Herrschaft die Parteikneipe der NSDAP. In der Gaststätte traf man sich und diskutierte über parteiliche Inhalte. Seit 1922 hatte die NSDAP eine Ortsgruppe in Hattingen.

Große Weilstraße

Auf der Großen Weilstraße befand sich früher die Geschäftsstelle der IG Metall – Symbol des Widerstandes. Die Gewerkschafter wurden reihum verhaftet. In „Schutzhaft“ genommen, landeten sie im Konzentrationslager oder im Zuchthaus.

Synagogenplatz

Wo heutzutage Autos über die August-Bebel-Straße fahren, stand früher die Hattinger Synagoge. Bis 1933 lebten 73 Menschen jüdischen Glaubens in der Stadt. Von den in der Nazizeit deportierten Hattinger Juden haben nur fünf überlebt, alle anderen waren den Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft zum Opfer gefallen.

Stolpersteine Familie Markes

Stolpersteine an der Ecke August-Bebel-Straße / Bahnhofstraße.
Stolpersteine an der Ecke August-Bebel-Straße / Bahnhofstraße.

Nur wenige Schritte vom Synagogenplatz entfernt liegen die Stolpersteine der jüdischen Familie Markes. Zuletzt wohnhaft an der Bahnhofstraße 5, wurde die vierköpfige Familie in ein polnisches Ghetto geschafft. Vermutlich wurde die ganze Familie in den Gaskammern ermordet.

Krämersdorf

Von den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges wurde auch Hattingen schwer gezeichnet. Viele Gebäude waren getroffen – viele von ihnen komplett zerstört worden. Auch die ehemalige Johanniskirche am Krämersdorf wurde bei den Angriffen komplett zerstört – nur der Rumpf des Glockenturmes war noch zu sehen. Heute ist zwar nicht die Kirche, aber der Turm wieder aufgebaut. Er beherbergt das Glockenspiel, das jeden Samstagmittag erklingt.

Bügeleisenhaus

Das wohl bekannteste Haus der Altstadt ist auch vom Kontext des Nationalsozialismus geprägt. Die letzte Bewohnerin war die jüdisch-Gläubige Selma Abraham. Sie starb vermutlich 1942 in Riga. Über ihre Geschichte kann man vor dem Bügeleisenhaus stolpern – an einem Stolperstein.

Modehaus Funke

Wo heute das Modehaus Funke steht, befand sich Ende der ­1920er- / Anfang der 1930er-Jahre noch die Geschäftsstelle der KPD. Als der Hattinger Parteiangehörige Hubert Lubberich zu einer Versammlung in der Geschäftsstelle zugegen war, wurde er beim Verlassen des Hauses ohne Vorankündigung von Vertretern der SA erschossen. Ihn trafen vier Kugeln. Mehrere tausend Menschen schlossen sich dem Beerdigungszug durch die Stadt an.

>>> Weitere Termine für den Rundgang

Es gibt weitere Termine für den alternativen Stadtrundgang: Am morgigen Mittwoch, 18.30 Uhr; am Donnerstag, 15. November, 18 Uhr, und am Samstag, 17. November, Uhrzeit auf Anfrage. Start der kostenlosen Tour ist am Rathausplatz.

Kontakt: wilfried.korngiebel@web.de oder thomas.birg@igmetall.de