Hattingen. . Marlene Schmidt wird als erste und bisher einzige Deutsche zur Miss Universe. Die Welt umgarnt sie – aber sie kehrt immer nach Hattingen zurück.

„Miami Beach, 17. Juli.

Die 24-jährige Marlene Schmidt ist in Miami Beach (Florida) zur ,schönsten Frau der Welt’ gewählt worden. Sie ist die erste Deutsche, die diesen Titel gewonnen hat.“ So beginnt im Jahr 1962 die Agenturmeldung, die die Zeitungen des Landes einen Tag später drucken. Weiter heißt es: „Die vor einem Jahr aus der Zone geflüchtete 24 Jahre alte Marlene war als Miss Germany ins Treffen gezogen und schlug 46 Rivalinnen im Streit um den Titel einer Miss Universum.“

Flucht von Ost-Berlin nach Hattingen

Somit ist schon einmal geklärt, dass Marlene Schmidt keine gebürtige Hattingerin ist. Die l(i)ebenswerte Stadt an der Ruhr ist aber die erste Anlaufstelle für sie und ihre Mutter, nachdem sie im Jahr 1960 mit der ­S-Bahn aus Ost-Berlin geflüchtet sind. „Das ging damals gerade noch“, erzählt die Ingenieurin für Feinwerktechnik später.

Ein Jahr später tritt sie bei der Wahl zur Miss Germany an, weil es „ein schönes Auto zu gewinnen gab“. Sie gewinnt in Baden-Baden, obwohl die Jury eher andere Favoriten unter den 20 Teilnehmerinnen gesehen hatte. „Ich war doch Ingenieurin, und die wollten ein Model, einen modischen Typ“, erzählt sie dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Das Publikum sieht das anders und gibt Marlene Schmidt 80 Prozent der Stimmen.

Natürlich und schüchtern

Einen Monat später geht es in die Paramount Studios nach Miami Beach. 47 Konkurrentinnen. Ziel: „Deutschland keine Schande machen.“ Unter die erste 15 will sie, setzt weiter auf Natürlichkeit, kokettiert mit ihrer Schüchternheit. Marlene Schmidt gehört mit 1,73 Meter nicht nur zu den größten, sondern mit ihren 24 Jahren auch zu den ältesten Bewerberinnen. Dann tritt Jonny Carson auf die Bühne und verkündet: „And the winner is – from Germany – Marlene Schmidt!“ Die junge Hattingerin ist damit die erste und bis zum heutigen Tag einzige deutsche Miss Universe.

„Es ist wunderbar, ich kann es noch gar nicht glauben. Ich kann heute Nacht bestimmt nicht schlafen. Ich werde versuchen, meine Mutter anzurufen“, diktiert sie den Agentur-Journalisten in den Block. „Am liebsten möchte ich gleich ein Telegramm an alle Leute in Deutschland schicken, um ihnen für alles, was sie für mich getan haben, zu danken“, fügt sie hinzu. „Das ist eine große Aufregung in meinem Leben.“

Offiziell heißt es: „Mit dem Titel einer Miss Universum ist automatisch auch ein Vertrag über 10.000 Dollar (40.000 DM) verbunden, der Marlene Schmidt als Repräsentantin für eine Firma verpflichtet. Außerdem erhält sie einen Nerzmantel im Wert von 14.000 DM und 20.000 DM in bar.“

Empfang durch Nixon und Reagan

Richard Nixon und Ronald Reagan empfangen sie, die US-Welt reißt sich um Marlene. Sie lernt Ty Hardi kennen, den Mann, den sie später heiratet, der Vater ihrer Tochter Mary-Ann Almuth ist. Doch das Leben in Hollywood gefällt ihr nicht, 1964 kehrt sie zurück zur Mutter nach Hattingen.

Die hat sich inzwischen mit einem Blumengeschäft („Blumen von Marlene“) in Bochum selbstständig gemacht. Hier erholt sich die Miss Universum und wagt dann noch einmal den Sprung über den großen Teich. Doch auch ihre ­zweite Ehe mit dem Film­produzenten und Regisseur Howard Avedis wird – ebenso wie eine dritte mit einem deutschen Lehrer – geschieden.

„Die schönste Frau der Welt“ hat offenbar kein Glück mit Männern, Sie ist heute eine glück­liche Oma und lebt im Saarland.

>>> Film-Karriere in den 1970er- und 1980er-Jahren

Als sie mit ihrem zweiten Ehemann Howard Avedis verheiratet war, stieg Marlene Schmidt auch ins Filmgeschäft ein – als Schauspielerin, Produzentin und Autorin. Elf Produktionen begleitete sie von 1972 bis 1985.

Dabei handelte es sich überwiegend um B-Movies, die meisten davon Exploitationfilme. Der erste dieser Filme, „The Step­mother“ aus dem Jahr 1972, ­wurde für die Filmmusik für einen Oscar nominiert.