Hattingen. . Heimathistoriker Harri Petras sprach darüber, wie sich die NSDAP in Hattingen verbreitet hat. Oft waren die Gründe für die Mitgliedschaft profan.
Einen spannenden Vortrag hielt im Treff an der Augustastraße der ehemalige Lehrer Harri Petras. Thema: „Wie die Braunen in Hattingen groß wurden“. Petras hatte eine erstaunliche Sichtweise auf die Entwicklung in den 1920er und -30er Jahren und mahnte, nicht vorschnell aus der Sicht von heute zu urteilen. Das hatte nichts mit Entschuldigung oder Verharmlosung zu tun. Es war Ermahnung, zu analysieren, bevor man sich eine Meinung bildet.
„Hattingen wurde immer als die Hochburg der NSDAP in Westdeutschland bezeichnet. Und tatsächlich war Hitler viermal in dieser Stadt“, berichtete Petras und zeigte Bilder dazu. Er appellierte, man sollte nicht über die Entwicklung in Gänze ein Urteil fällen, sondern genau hingucken, was in welcher Zeit passiert ist.
Beeinflussung in der Kneipe
„Wenn jemand sich 1927 geäußert hat, der konnte nicht wissen, was 1933 passierte“, verdeutliche Petras. Man sage immer so schnell, die Menschen damals wussten alles. Man solle aber genau hingucken, wann was warum geschah.
Das Thema könnte aktueller nicht sein, stellten die knapp 30 Teilnehmer fest, alle in einem Alter, dass sie die Hattinger Straßen aus den Vorkriegsjahren sofort wiedererkannten. Auch die, die sich sehr verändert haben. Damals – ohne Radio, Fernsehen und Internet – war der Ort der politischen Diskussion die Kneipe. Jeder Verein, jede
Sportgruppe, hatte seine Stammkneipe, wo die Männer sich nach der Arbeit trafen. „Damit entflohen sie auch dem Tollhaus zu Hause, denn dort lebten Großeltern, Eltern und Kinder alle unter einem Dach“, erklärte Petras die Situation zu der Zeit. „Und die NSDAP nutzte nach 1925 diese täglichen Treffen, um ihre Politik unter die Leute zu bringen, gegen den Kommunismus zu agieren.“ Denn erst nach 1925 konnten die Nationalsozialisten wirklich groß werden, weil die Franzosen aus dem Ruhrgebiet abgezogen waren.
Unzufriedener Mittelstand
Bekannte Namen von Hattinger Lehrern und Mittelständlern, die viele Teilnehmer gut kannten, erwähnte Petras, oft mit passenden Bildern dazu. Vor allem die Mittelständler waren unzufrieden mit ihrer Situation. Da hinein spielte dann die Weltwirtschaftskrise, die nach dem Tiefpunkt 1930 der NSDAP ungemein Auftrieb gab.
Auch die Gründe, warum die Menschen den Nationalsozialisten beitraten, waren oft profan: Viele kamen an Beziehungen, von denen man sich Vorteile versprach. „Wer würde das nicht nutzen“, fragte der Heimathistoriker. Andere kamen durch die Partei an eine Arbeitstelle, von der es so wenige gab. Petras verklärte nicht, erweiterte aber den Blick auf die Zeit.
>>> Buch über die NSDAP-Zeit in Hattingen
Ein großes Wissen über den Nationalsozialismus in Hattingen hat der Heimathistoriker Harri Petras angesammelt. Wer sich tiefer in die Materie einarbeiten möchte, kann bei ihm ein Buch über die damalige Hattinger Zeit kaufen.
Wer interessiert ist, kann sich bei Harri Petras direkt melden, 9211126.