Hattingen. Im Jahre 1883 erbaut, wurde der Schulenbergtunnel 2008 für Radfahrer und Fußgänger geöffnet. Im Innern präsentiert sich ein Gruselkabinett.

Mittagszeit am Schulenbergtunnel – draußen Wärme und strahlender Sonnenschein, drinnen die Kühle des Steins, gedämpftes Licht. Immerhin: Die dichten Büsche neben der Bahntrasse direkt vor dem Tunnel sind gnädig. Sie lassen die Sonne nicht in ihrer vollen Intensität aufs Pflaster strahlen, filtern sie, so dass der Übergang zwischen Hell und Dunkel nicht schmerzt.

Plötzlich dringt ein Geräusch aus der Dunkelheit, kommt schnell immer näher. Ricarda Brilo erscheint mit ihrem Fahrrad aus der steinernen Höhle. Sie hält an und lächelt, sagt aber sofort, dass sie kaum Zeit für einen Stopp hat.

Ist gern mit dem Rad unterwegs – auch zu Arztterminen: Ricarda Brilo.
Ist gern mit dem Rad unterwegs – auch zu Arztterminen: Ricarda Brilo. © Fischer

Erklär-Tafel befindet sich neben dem Eingang zum Tunnel

Die Sprockhövelerin ist auf dem Weg zum Zahnarzt. „Man sitzt viel zu viel, Bewegung ist wichtig, bei dem Wetter gibt es nichts Schöneres, als mit dem Rad unterwegs zu sein“, erklärt sie, warum sie mit dem Rad zum Arzt fahre. „Ich nutze die Trasse oft, wenn ich in Hattingen etwas zu erledigen habe“, fügt sie hinzu und zeigt auf die Körbe, die hinten und vorne am Rad befestigt sind. „Da passt viel rein, damit kann ich prima einkaufen.“ Jetzt müsse sie aber schnell weiter, „sonst komme ich zu spät zu meinem Termin“, sagt sie, winkt – und ist schon um die Ecke gebogen.

Im Jahre 1883 erbaut, im Jahre 2008 für Radfahrer und Fußgänger geöffnet, steht auf der Erklär-Tafel rechts neben dem Eingang zum Tunnel. Eine vierköpfige Familie fährt am anderen Ende in ihn hinein, plaudert fröhlich. Das Stimmengewirr vermischt sich dem Klacken der Ketten ihrer Räder. Die Vier sind schnell unterwegs. Hinterlassen beim Vorbeifahren einen kräftigen Windzug.

Annette Boiger vor dem Schulenbergtunnel
Annette Boiger vor dem Schulenbergtunnel © Fischer

Annette Boiger ist heute auch mit dem Rad unterwegs – ein Test für die Wanderung mit Freunden tags darauf über die Bahntrasse. Es soll von Hiddinghausen nach Hattingen gehen, „und ich darf heute schon einmal mit dem Rad schauen, wie viele Kilometer das sein werden“, erklärt sie und schaut auf ihren Kilometerzähler. „40 sind es auf alle Fälle heute von zu Hause aus.“ Morgen gehe es aber erst mit dem Bus nach Hiddinghausen und dann auf die Trasse.

Bunte Aliens und Kraken

40 Kilometer ist keine Distanz, die Andreas Leunens mit seiner Hündin zurücklegen möchte. Er nutzt die Bahntrasse gerade zum Gassi-Gehen – das in der Mittagszeit eigentlich seine Frau erledigt. „Aber ich musste heute erkrankt daheim bleiben und konnte nicht zur Arbeit. Der kurze Moment an der frischen Luft tut mir gut.“ Sein Weg führt Andreas Leunens kurz durch den Tunnel, dann geht es wieder zurück nach Hause.

Eine Joggerin rennt zügig an den beiden vorbei. Dann eine Frau mit Nordic-Walking-Stöcken, sie grüßt lächelnd. Von den Tunnelwänden starren einen bunte Aliens und Kraken an. Andreas Leunens passiert einen Fliegenpilz mit Augen in surrealem Pink und Grün. „Eat my bones“ (iss meine Knochen) hat jemand auf den Stein geschrieben. Ein Gesicht schneidet dem Vorbeigehendem mit ausgestreckter Zunge eine Grimasse.Das Gruselkabinett des Tunnels präsentiert sich.

Sabine Ernst vor dem Schulenbergtunnel für die Sommerserie *** Hattingen am Mittag *** am Freitag, dem 10.08.2018 Foto: Walter Fischer / Funke Foto Services GmbH
Sabine Ernst vor dem Schulenbergtunnel für die Sommerserie *** Hattingen am Mittag *** am Freitag, dem 10.08.2018 Foto: Walter Fischer / Funke Foto Services GmbH


Sabine Ernst hat am Lenker ihres Rades ein Radio befestigt. Foto: Fischer



Trasse ist gut überschaubar und nicht so überfüllt

Draußen vor dem Eingang nähert sich mit knallroter Jacke und blauer Jeanshose Sabine Ernst. Ein am Lenker ihres Rades befestigtes Radio spielt Einslive. „Eigentlich höre ich eher WDR 2, aber der Sender hat auf der Strecke ganz viele Störungen, das nervt mich.“ Ohne Radiomusik aber fahre sie einfach nicht gern Rad. Sie benutze oft die Trasse, sagt Sabine Ernst. „Sie ist weg vom Straßenverkehr, gut überschaubar und nicht so überfüllt“, nennt sie die Vorteile. „Man muss doch was tun, und die Trasse ist dafür perfekt.“

>>> ÜBER DIE SERIE HATTINGEN AM MITTAG

Im Rahmen der Sommerserie „Hattingen am Mittag“ sucht die WAZ-Redaktion in diesem Jahr verschiedene Orte in der Stadt auf und reportiert, was in der Mittagszeit dort passiert.

Vorgesehen ist jeweils ein zehnminütiger Besuch – der sich des Öfteren aufgrund spannender Geschichten verlängert.