Hattingen. In den vergangenen 35 Jahren hat sich nicht nur das Haus An der Ketteltasche immer wieder verändert. Der Blick auf die Bewohner ist heute anders.
Was für ein zähes Geschäft. Ein Wohnheim bauen für geistig behinderte Menschen. „Stellen Sie sich vor, wie lange das damals gedauert hat. Diskussionen von 1978 bis 1982, als mit dem Bau des Ellen-Buchner-Hauses endlich begonnen wurde“, sagt der Geschäftsführer der Lebenshilfe Ennepetal-Ruhr/Hagen, Rainer Bücher, der diese Funktion seit 15 Jahren ausübt. Und noch ein Datum ist interessant: Er ist genauso alt wie die Lebenshilfe – 56 Jahre.
Für das geplante Wohnheim an der Ketteltasche wurde 1978 hart gekämpft, jahrelang. Weil der Landschaftsverband die Notwendigkeit dieser Einrichtung nicht einsehen wollte.
Heute ist das Haus barrierefrei
Das ist längst Geschichte. 35 Jahre alt ist das Wohnheim jetzt, die Notwendigkeit seiner Existenz kein Thema mehr. Verändert haben sich in den Jahrzehnten nicht nur die Aufgaben des Heims, verändert haben sich auch die Bewohner. „Früher hieß es immer, dass Menschen mit geistiger Behinderung maximal 20 oder 30 Jahre alt würden. Mittlerweile ist klar, dass auch unsere Bewohner 60, 70 und manchmal 80 Jahre alt werden können“, sagt Rainer Bücher.
Allerdings wisse man heute, dass Menschen mit geistigen Behinderungen überproportional von Demenzerkrankungen betroffen sind. Auch darauf habe man sich eingestellt. Denn es sei wichtig – wie bei nicht behinderten Menschen auch –, dass sie in ihrem bekannten Umfeld alt werden können. Daher gibt es auch eine Palliativstation, die Bewohner können dort bis in den Tod begleitet werden.
Man habe dieser Wandlung Rechnung getragen. „Wir haben uns immer wieder neu aufgestellt, haben seit sechs Jahren eine Tagesstätte für Senioren, kreative Alltagsgestaltung und Förderangebote. Auch war Barrierefreiheit in den 80er Jahren überhaupt kein Thema, weil immer zwischen körperlicher Behinderung und geistiger Behinderung unterschieden wurde.“ Heute ist das Haus barrierefrei, heute wird akzeptiert, dass es nicht die reine Unterscheidung zwischen körperlicher und geistiger Behinderung gibt, heute wird einfach danach geguckt, dass die Bewohner die Hilfe bekommen, die sie benötigen. „Es sind Menschen, die ohne Unterstützung nicht leben können, aber Lust aufs Leben haben. Und das ist unheimlich schön“, begeistert sich der Geschäftsführer.
300 Betreuer versorgen 500 Menschen
Von den 36 Bewohnern zählen zehn zu den Senioren, die also nicht mehr arbeiten gehen. Vier Wohngruppen gibt es, die jeweils eine Gemeinschaft bilden, und ebenfalls vier Betreuungsteams. „Hier bei uns wird selbst gekocht. Wir versuchen sehr naturnah zu essen.Vieles wird auf Biobasis eingekauft. Fünf Mal in der Woche bieten wir eine Förderung an, es werden Ausflüge unternommen, in der Weihnachtszeit werden Karten gebastelt, wir besuchen aber auch das die Gräber von Eltern. Es gibt eine große Bandbreite“, berichtet der Geschäftsführer.
Immer wieder wird auch auf eigene Ideen zurückgegriffen, wenn zum Beispiel ein neuer Bus angeschafft werden muss. Dann trommeln Wohnstättenleiterin Eva Peters und Geschäftsführer Rainer Bücher, um mit Hilfe von Spendenaktionen Geld in die Kasse zu bekommen.
Aber das Haus an der Ketteltasche, wie es von den Bürgern genannt wird, bietet auch ambulantes betreutes Wohnen. Die Betreuer gehen auch in Familien, in denen Behinderte wohnen. Insgesamt werden von 300 Betreuern 500 Menschen versorgt.