Hattingen. Evangelischer Kirchenkreis Hattingen-Witten setzt verstärkt auf „multiprofessionelle Teams“. Geistlicher hält Fäden nicht mehr allein inHand.
Vielleicht war „noch“ das wichtigste Wort im Bericht von Superintendentin Julia Holtz auf der Sommersynode des Evangelischen Kirchenkreises Hattingen-Witten. „Noch leben wir in einer Zeit, die mit Pfarrerinnen und Pfarrern gesegnet ist“, sagte Holtz. Dieses „noch“ sollte aufrütteln. Multiprofessionelle Teams sollen künftig Aufgaben in den 16 Gemeinden des Kirchenkreises übernehmen.
„Wir müssen wieder entdecken, wie vielfältig die Gaben der Mitarbeiter sind und dass der Pfarrer nicht der Einzige ist, bei dem alle Fäden zusammenlaufen müssen“, sagte Holtz vor den 66 Synodalen. Wie bei den Katholiken geht die Zahl der Gläubigen weiter zurück und nur die dank der guten Konjunktur sprudelnden Steuereinnahmen können die Auswirkungen vor Ort noch abfedern. Doch es fehlt am theologischen Nachwuchs – und in den kommenden Jahren wird ein Großteil der heute etwa 50 amtierenden Pfarrer in den Ruhestand verabschiedet.
Pfarrer ist kein Traumberuf mehr
Deshalb nahmen die Teilnehmer der Kreissynode andere Professionen in den Blick, die hauptamtlich „bei Kirchens“ arbeiten: Kirchenmusiker und Gemeindesekretärinnen, Gemeindepädagogen, Diakone und Jugendreferenten, Küsterinnen und Gemeindeschwestern. Sie sorgen neben all den Ehrenamtlichen dafür, das Gemeindeleben auf eine breite Basis zu stellen. Doch wenn die Sekretärin nur noch an zwei Tagen in der Woche arbeitet oder die Küsterin nur noch eine Viertelstelle hat, ist es oft genug der Pfarrer, der rasch einen Brief schreibt, nach dem Gottesdienst Bänke rückt und sich danach noch an die Homepage der Gemeinde begibt. Vielleicht einer der Gründe, warum „Pfarrer“ für viele Studienanfänger kein Traumberuf mehr ist.
Davon ist bei Pfarrerin Mareike Ginzel nichts zu spüren. Die junge Pfarrerin kam im April 2017 im Probedienst in die Johannisgemeinde. Sie unterstützt nun auch die Trinitatisgemeinde und ist glücklich, Teil eines „multiprofessionellen Teams“ zu sein. „Es geht nicht darum, mich zu entlasten, sondern darum, dass ich ja nicht alles gleich gut können kann“,sagt die 34-Jährige. Das Handwerkszeug für Gottesdienst, Verkündigung und Seelsorge hat sie im Studium vermittelt bekommen – „doch wenn ich zum Beispiel Lieder für den Gottesdienst aussuchen soll, dauert das bei mir echt lange. Da bin ich doch froh, wenn es einen guten Kirchenmusiker gibt, der das viel besser kann“.
Aufgaben, Rechte und Pflichten
Auch Diakon Thorsten Schröder, Jugendmitarbeiter in Herbede, empfindet die Fähigkeiten anderer nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung. „Genau genommen arbeite ich seit 22 Jahren an meiner eigenen Arbeitslosigkeit. Ich versuche, die Gruppen zu befähigen, ohne mich auszukommen.“ Damit Gemeindepädagogen, Jugendreferenten und Pfarrer aber wirklich gleichberechtigt arbeiten könnten, müsste die Kirchenordnung geändert werden. Denn während die Geistlichen als Dienstvorgesetzte im Presbyterium sitzen, haben Jugendmitarbeiter, Gemeindeschwestern oder Kirchenmusiker als Angestellte der Gemeinde dort kein Mitspracherecht.
Auch der Theologische Ausschuss hatte sich in der Vorbereitung mit der Frage beschäftigt „Wer darf eigentlich was in unserer Kirche“. Maria Magdalena Weber regte an zu regeln, welche Aufgaben, Rechte und Pflichten mit den jeweiligen Berufen verbunden sind. „Eigentlich dürfen wir alle alles“, sagte die Medizinerin in Ableitung an das „Priestertum aller Gläubigen (1. Petrus 2,9f). Doch sei es sinnvoll, „dieses Dürfen zu ordnen“. Um in der Öffentlichkeit das Wort Gottes zu verkünden, brauche es eine ordnungsgemäße Beauftragung, die durch die Ordination geschehen müsse.
Erfolgreiche Spendensammler setzen Arbeit fort
Unterstützung haben die Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Hattingen-Witten in den vergangenen Jahren durch das im Jahr 2009 gegründete Fundraising-Referat erfahren, das sich um das Einwerben von Spenden kümmert. Ein ausgebildeter Fundraiser – nach dem Weggang des Hattingers Hans-Jörg Federmann übernahm im vergangenen Jahr Harald Bertermann diese Aufgabe – und eine mit Diane Sinter hochqualifizierte Assistentin entwickeln mit den Verantwortlichen in den Gemeinden Konzepte und Strategien. Darin waren sie zuletzt so erfolgreich, dass Norbert Mannebach im Namen des Fundraising-Ausschusses jetzt die Synode um eine Verlängerung der befristeten Stelle bat. Mit Erfolg: Für die kommenden drei Jahre, bis Ende 2021, stellt die Synode Mittel aus der Ausgleichsrücklage in Höhe von 25 000 Euro jährlich zur Verfügung.
Über den Antrag der Flüchtlingsbeauftragten des Kirchenkreises, weitere Sondermittel für die Integration bereitzustellen, muss die Landessynode entscheiden. Seit 2016 flossen eine Million Euro zum Aufbau der Flüchtlingsarbeit in den Gemeinden. „Ohne Menschen, die die Zugewanderten in ihrem Alltag begleiten, Sprachunterricht erteilen, bei Behördengängen dabei sind, sich um Familien und Kinder kümmern, kann das Fußfassen nicht gelingen“, sagte Pfarrer Christian Uhlstein. Um diese ehrenamtliche Arbeit auch in Zukunft zu begleiten und Schulungen und Supervision zu ermöglichen, geht nun ein entsprechender Antrag der Synode nach Bielefeld.
Verabschiedet wurde Pfarrerin Birgit Steinhauer. Sie verlässt nach fast 22 Jahren den Kirchenkreis. Die Krankenhausseelsorgerin, die sich zuletzt im Evangelischen Krankenhaus Witten um Patienten und Mitarbeiter kümmerte, übernimmt nach den Sommerferien die 30. Kreispfarrstelle im Kirchenkreis Dortmund.
>> Die Autorin Nicole Schneidmüller-Gaiser ist Sprecherin des Evangelischen Kirchenkreises Hattingen-Witten.