Hattingen. . Vor 30 Jahren beklagten Grundschulen den Mangel an Nachwuchskräften. Heute sind die Anforderungen gestiegen und das Personal noch immer knapp.
„Die Schlagzeile von 1988 können Sie gleich so wieder übernehmen. Das stimmt heute auch noch“, sagt eine Lehrerin. Damals hieß es: Grundschullehrer beklagen, ein vernünftiger Unterricht sei kaum zu verwirklichen. Diese Aussage treffe heute auch noch zu, wenn auch aus anderen Gründen.
„Die Lebensumstände der Kinder haben sich grundlegend verändert“, analysiert Barbara Bickert-Brenneken, Leiterin der Grundschule Oberwinzerfeld. Sie kennt noch die Zeit, in der die WAZ-Schlagzeile entstand. „Wir waren eigentlich alle mit Abschluss der Prüfung arbeitslos. Von den 140 Leuten, die mit mir im Lehrerseminar waren, haben genau zwei einen Job bekommen.“ Sie gehörte nicht zu den beiden.
Probleme kommen in zehn Jahren
Damals ging es um fehlende jüngere Kollegen. „Es hieß in den 1980er Jahren immer, unser Jüngster ist 50 Jahre alt“, sagt die Lehrerin aus Leidenschaft. Sie versuchte es einige Jahre später noch einmal mit einer Bewerbung für den Schuldienst – mit Erfolg. Sehr viele seien damals abgesprungen, weil sie keine Lehrerstelle bekamen.
Heute werde allerdings wieder nur der Mangel verwaltet. Aber die Ursachen sind andere. Von der Lehrerbesetzung her sei es an ihrer Schule zurzeit recht ausgeglichen. „Die Kolleginnen sind alle jenseits der 30 und aus der Phase der Familienplanung heraus. Bei uns beginnen die Schwierigkeiten in zehn Jahren, denn dann geht jedes Jahr eine Kollegin in den Ruhestand.“ Was Probleme macht, sind zum Teil Klassen mit 30 Kindern. Und die Aufgaben für Lehrer seien immer mehr geworden.
Immer mehr Aufgaben an Grundschulen
Es gehe schon längst nicht mehr nur ums Lehren. „Wir müssen mit Eltern sprechen, die hohe Erwartungen an uns haben.“ Unglaublich viele Eltern seien verunsichert, was die Erziehung ihrer Kinder angehe. Viele fragten sich, welchen Umgang sie in Bezug auf soziale Medien haben sollten. Dabei blieben häufig Grundlagen bei der Erziehung auf der Strecke.
„Wir haben viele allein erziehende Mütter, die den ganzen Tag arbeiten müssen. Die Kinder sind oft nachmittags alleine zu Hause, haben keinen Kontakt zu Gleichaltrigen. Das bleibt nicht ohne Folgen auf das soziale Verhalten.“ Es müssten viel mehr andere Fachkräfte an die Schulen. „Wir haben einen Sozialpädagogen, der einmal in der Woche für einen Tag kommt. Er kümmert sich um Flüchtlinge und knüpft den Kontakt zu Erziehungsberatungsstellen.“
Außerdem gibt es Sonderpädagogen, die Kindern mit emotionalen oder sprachlichen Schwierigkeiten helfen. Allerdings ist eine der beiden Fachkräfte für sechs Stunden pro Woche an der Schule, die andere für 20 Stunden. „Es ist ausgesprochen schwierig, bei einer solchen Besetzung alle Ansprüche zu erfüllen“, sagt Barbara Bickert-Brenneken. „Und wir wollen doch, dass Kinder Erfolg haben.“
>>> Probleme mit zu großen Klassen
Ein großes Problem ist die Klassenstärke. Bei Kindern, die zum Teil behindert, seelisch oder sprachlich entwicklungsverzögert sind oder verhaltensauffällig, ist eine Klasse von 30 Kindern eine Herausforderung.
Bei 57 Schülern beispielsweise, sagt Schulleiterin Barbara Bickert-Brenneken, dürfen drei Klassen gebildet werden, bei 56 Schülern nur noch zwei.