Hattingen. „GroKo“, Personaldebatten und die Auswirkungen für die Basis: Die Sozialdemokraten sind zerrissen – aber optimistisch. Eine Momentaufnahme.
Es ist momentan keine einfache Aufgabe, Sozialdemokrat zu sein. Nicht nur, dass in Berlin schon publikumswirksam über die Große Koalition und die Personalie Andrea Nahles diskutiert wird, nein, dann zieht sich in Hattingen der Stadtverbandschef Klaus Orth von einem Tag auf den anderen zurück. Nach den Gesprächen mit sieben SPD-Vertretern wird klar, dass auch vor Ort verschiedene Meinungen aufeinanderprallen – und dass die Partei auf selbstbewusste Jusos zählen kann, die mehr Verantwortung übernehmen wollen.
Um die 50 Mitglieder hat die Nachwuchs-Organisation in Hattingen, auf 15, 20 „richtig Aktive“ kann der Vorsitzende Leon Reinecke immer zählen. „Wir sind bereit mitzumischen“, sagt er. Zum Beispiel im neuen Stadtverbands-Vorstand, „nicht sofort in der allerersten Reihe, aber eventuell schon mit mehr als einer Person“. Die Jusos werden wahrgenommen, „wir kommen gut bei den Menschen an“, berichtet er selbstbewusst. Ein Grund dürfte sein, dass sie die einzige Partei-Organisation in Hattingen sind, die außerhalb des politischen Lebens im Rathaus öffentlichkeitswirksam aktiv aufgetreten ist.
Ihre Positionen sind klar: Nein zur „GroKo“ – „es fehlen die Visionen, der Vertrag ist nur auf vier Jahre gedacht“; und Skepsis gegenüber der designierten Parteichefin Andrea Nahles – „leider haben wir keinen, den wir auf den Präsentierteller setzen könnten, aber es ist schon gut, dass es einen Wettbewerb gibt, noch besser fänden wir eine Urwahl“.
Nahles stößt in Hattingen auf wenig Gegenliebe
Andrea Nahles also, ehemals Juso-Chefin, bald Bundesvorsitzende. Eine Personalie, die in Hattingen auf wenig Gegenliebe stößt. Alle Gesprächspartner haben ihre Vorbehalte, lediglich Winz-Baaks Ortsbürgermeisterin Margot Dröge sagt, dass sie eine Chance verdient habe: „Vielleicht packt sie es ja – aber der Mitglieder- und der Mediendruck sind schon enorm.“ Klare Kante dagegen beim Landtagsabgeordneten Rainer Bovermann: „Ich habe Zweifel, dass Nahles für Erneuerung steht, sie ist zu sehr in bestehende Strukturen eingebunden.“ Fraktionschef Achim Paas schreibt ihr einen „sehr guten Job als Sozialministerin“ zu – aber: „Ihr Auftreten ist einer Parteivorsitzenden manchmal nicht würdig.“
Bleiben wir im Bund, Thema „GroKo“. Die Jusos sind dagegen, auch der Stadtverbands-Vorstand Thomas Dorndorf-Blömer, Bovermann und Paas etwa sagen Nein. Klaus Kampmann, Ratsmitglied und Präsident des TuS Hattingen, hat indes mit Ja gestimmt: „Die Rente wird aufgebessert, das finde ich persönlich gut.“
Bundesthemen, egal ob Nahles oder eben „GroKo“, nahezu alle schlagen bis zur Basis durch. „Alles, was in Berlin falsch gemacht wird, fällt uns hier auf die Füße“, sagt Juso Reinecke. „Die Menschen differenzieren nicht zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik“, weiß Klaus Kampmann. „Das ist eine schwierige Situation.“
Kommunalwahlkampf wird eine Herausforderung
Eine Situation, die für den nächsten Kommunalwahlkampf zur großen Herausforderung wird. Natürlich, es sind noch gut zwei Jahre, bis der beginnt; selbstverständlich, es weiß niemand, welche die bestimmenden (Bundes-)Themen sind. Gleichwohl gilt auch, dass es „eine neue Situation ist, dass wir zum ersten Mal in einem Wahlkampf nicht den Bürgermeister stellen“, sagt Melanie Witte-Lonsing, stellvertretende Vorsitzende der Ratsfraktion. „Es wird interessant, wie wir einen Kandidaten positionieren, es macht Spaß, ein Programm aufzustellen.“ Und die Kandidaten müssen aufgestellt werden. „Wir müssen Geschlossenheit herstellen“, sagt der ehemalige Stadtverbandsvorsitzende Rainer Bovermann. Was er nicht sagt, aber damit vermittelt: Altgediente Stadtverordnete müssen sich mit dem Gedanken auseinander setzen, dass sie auf der nächsten Kandidatenliste wohl fehlen werden.
Erst einmal geht es jetzt aber um einen neuen Vorstand für den Stadtverband. Zurzeit laufen Gespräche, alle Mitglieder sind zuversichtlich. Achim Paas formuliert das so: „Ich bin sehr optimistisch für Hattingen. Wir haben viele gute junge Leute.“
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