Hattingen. Lebensraum für Tiere geht im Ennepe-Ruhr-Kreis immer mehr verloren. Naturschutzbund nimmt Behörden, Institutionen und Privatleute in die Pflicht.
„Im Garten von Willi Hofeditz ist die Welt noch einigermaßen in Ordnung“, erklärt Ralf Steiner vom Naturschutzbund Ennepe-Ruhr-Kreis. Der Blick auf die Winterzählung in diesem Garten ist allerdings die Ausnahme. Landesweit sieht das ganz anders aus.
Ralf Steiner ist Mitglied der Ornithologen-Gesellschaft NRW. Alle acht Jahre wird in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW die rote Liste aktualisiert. Die neuste Fassung sei alarmierend. Von 188 Brutvogelarten sei fast die Hälfte gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Die Gründe seien vielschichtig.
Eine einfache Lösung gibt es nicht
„Der Lebensraum für die Tiere geht immer mehr verloren, weil immer mehr Flächen bewirtschaftet werden.“ Beispiele gebe es viele: Die Schaffung von Gewerbegebieten und Neubauflächen, die Umwandlung von Grün- in Ackerflächen, intensivere Bewirtschaftungsmethoden in der Landwirtschaft. Die Auswirkungen zeigten sich darin, dass viele Vogelarten nicht mehr oder nur noch selten zu sehen sind.
Der Steinkauz, der Charaktervogel der Obstwiesen, sei kaum noch zu finden, weil auch die Streuobstwiesen immer weniger würden, so Steiner. Den Steinkauz gebe es im Südkreis nur noch in Gevelsberg und Sprockhövel, der Bestand sei um zwei Drittel reduziert. „Eine schlimme Entwicklung“, sagt Steiner. Auch der Star, der aktuelle Vogel des Jahres, den es früher millionenfach gegeben habe, sei nun auf der roten Liste gelandet.
Einfache Lösungen gibt es nicht
Starke Bestandsrückgänge gebe es auch beim Turmfalken und dem Kuckuck, der im Sommer früher überall zu hören gewesen sei. Ihm gehe nicht nur der Lebensraum verloren, auch auf seinen langen Flügen drohten dem Zugvogel Gefahren. In Ägypten würden sie gefangen und verspeist, in Afrika Gifte auf den Feldern benutzt, die hier schon lange verboten seien, erläutert der Naturschützer.
„Eine einfache Lösung gibt es nicht.“ Ralf Steiner ist sich aber sicher, dass man mit vereinten Kräften viel erreichen könne. Er nimmt Behörden, Institutionen und Privatleute in die Pflicht. Natürlich habe nicht jeder die Möglichkeiten so einen naturnahen Garten zu gestalten, wie Willi Hofeditz sagt. Aber es helfe schon, heimische Sträucher, Hecken und Stauden zu pflanzen, nicht immer so früh zu mähen oder Flächen zu versiegeln. Man sollte zudem Schutzgebiete meiden, um die Tiere in Ruhe brüten zu lassen, Hunde sollten in sensiblen Bereichen ebenfalls nicht einfach laufen gelassen werden.
Auswirkungen auf die Obsternte
An einen stummen Frühling, wie vielerorts befürchtet wird, glaubt der Naturschützer nicht. Dennoch: Die Menschen werden den Rückgang von Insekten und Vögeln spüren und erleben. Im Garten gebe es weniger Falter, Bienen, Hummeln und Wildbienen. Das werde sich auch auf die Obsternte auswirken, da ist sich Ralf Steiner sicher. Stumm wird der Frühling wohl nicht, aber spürbar leiser.