Hattingen. . Über spendable Kunden freuen sich Kellner und Friseusen. Beim schnellen Einkauf in der Apotheke oder Fleischerei bleibt die Geldbörse zu.

Trinkgeld? Einige Branchen können über das Thema nur staunen. „Das ist bei uns nicht üblich“, sagen etwa Verkäuferinnen in Bäckereien. „Nur in der Stammkneipe bekommt die Bedienung noch ein paar Mark extra“, hieß es im Januar 1988 in der WAZ. Da hat sich bis heute nicht viel geändert.

Die Fleischereifachverkäuferinnen in der Metzgerei Schultenhof, Beate Zimmer (48) und Angelika Habermann (62), schütteln mit dem Kopf. „Nein, Aufrundungen beim Bezahlen gibt’s hier eigentlich nicht.“ Und wie halten sie es selbst mit Trinkgeld? „Wenn wir im Restaurant sind, geben wir selbstverständlich Trinkgeld,“ sagen sie.

In der Stehpizzeria gibt es kein Trinkgeld

Dariusz Kowalczyk (37), der gerade mit Michele Larocca, Chef der Stehpizzeria „Pizza-In“ am Obermarkt 1, ein Quätschchen hält, gibt immer maximal einen Euro Trinkgeld. Von solchen Großzügigkeiten kann Michele nur träumen. „Trinkgeld, gibt es für mich nicht. Ganz selten rundet mal einer ein paar Cent auf“, sagt er, findet es aber auch nicht wirklich tragisch.

Im Friseurgeschäft Coroneo ist der Chef gerade selbst an der Schere. Die Kundin zahlt mit Karte, Trinkgeld gibt’s nicht. „Ich bekomme doch als Chef sowieso kein Trinkgeld“, sagt der Boss. Und wie es die Kunden bei seinen Mitarbeiterinnen halten, das sei nicht seine Sache. Das wolle er auch gar nicht wissen. Aber Trinkgeld gebe es noch, sagt eine junge Friseurin. Wie es vor dreißig Jahren war, könne sie nicht sagen. Schließlich war sie da noch gar nicht auf der Welt. „Im Restaurant zehn Prozent Trinkgeld zu geben, ist für mich Ehrensache“, sagt der Chef.

Das Schweinchen für die Kaffeekasse füllt sich langsam

Susanne Guhl (56), Pharmazeutisch-Technische Assistentin, die hinter der Theke der Altstadt-Apotheke steht, kommt bei der Frage nach Trinkgeld aus dem Schmunzeln nicht heraus. Bei den üblichen 99 Cent-Beträgen, die vor allem bei den freikäuflichen Medikamenten üblich sind, rundeten mache Kunden auf. „Das kommt aber auch nicht dauernd vor“, sagt Susanne Guhl. Das orangefarbene Schweinchen für die Kaffeekasse braucht also lange Zeit, bis das Bäuchlein gefüllt ist. Manchmal gibt es auch ein paar Cent für die andere Spardose „Hattingen solidarisch“.

Auch der Schlüsseldienst gegenüber des Reschop Carrés wird mit Trinkgeld nicht verwöhnt. „Nein, das kommt so gut wie gar nicht vor“, sagt Selami Kartal. Die drei Taxifahrer am Busbahnhof sind allesamt mürrisch an diesem Tag. Sie wollen sich zum Thema mit keiner Silbe äußern.

In Holland gab es als Rückgeld immer Bonbons

Ganz anders und völlig locker sind dagegen Gäste und Wirt in der Eckkneipe „Bistro Egal“ an der Bruchstraße 37. Es habe sich gegenüber den Gewohnheiten vor Jahrzehnten nichts geändert, sagt Wirt Werner Kramer (66). Seine Stammgäste seien genauso liebenswert wie immer und es gebe auch nach wie vor Trinkgeld. Keine Riesensummen, aber es wird oft aufgerundet. Kramer selbst erinnert sich gerne an frühere Zeiten, wenn es Richtung Holland ging. Da habe es nie Klimpergeld zurückgegeben. „Wir bekamen als Rückgeld immer Bonbons“, erzählt er.

Seine Gäste fühlen sich von ihm sehr fair behandelt. Auch die Umstellung von D-Mark auf Euro hat Werner Kramer nicht ausgenutzt. „Früher kostete ein Bier bei mir 2,40 Mark, heute 1,40 Euro.“