Hattingen. Automatenspieler Jan T. hat bereits 30 000 Euro verspielt. Mit seiner Mutter geht er an die Öffentlichkeit: Sie wollen Sucht sichtbar machen.
Hört oder liest sie das Wort „Glücksspiel“, ist Birgit T. ganz Ohr: So auch vor einigen Tagen, als die 56-Jährige vom neuen Angebot für Glücksspieler in der LWL-Klinik erfuhr. Ihr 29-jähriger Sohn ist Automatenspieler. „Die ganze Familie leidet, die Situation ist sehr belastend“, sagt die Mutter.
Angefangen hat alles 2014, da hat Jan T. das Spielen einfach mal ausprobiert. Beim Ausprobieren blieb es nicht. Der im Westerwald stationierte Soldat begann täglich zu spielen, verzockte schnell größere Beträge. „Ich schreibe das Einsamkeit und fehlender Geborgenheit zu“, sagt Jan T. heute nach einer neunwöchigen stationären Therapie. Nach Beziehungsproblemen rutschte er kürzlich wieder in alte Muster.
Aufmerksamkeit für die Last der Angehörigen
Was sich Mutter und Sohn durch den Schritt in die Öffentlichkeit erhoffen? „Ich möchte auf die Sucht aufmerksam machen, insbesondere auf die Last für Angehörige“, so Birgit T.. Angst, Wut und Trauer mischten sich ständig, sie sei in großer Sorge. „Jan hat manchmal kein Geld mehr für Essen gehabt oder ohne Sprit im Nirgendwo gesessen. Wir springen als Familie ein, helfen aber nicht mit Geld weiter“, betont sie. Seine Persönlichkeit habe sich verändert, er habe sich immer weiter von der Familie distanziert.
Jan T. hingegen sieht vieles davon nicht: „Spieler wissen, wie sehr die Angehörigen leiden, aber es ändert nichts. Daher helfen Vorwürfe nicht, sondern Verständnis.“ Mahnungen, ein leerer Kühlschrank und das Leid des Umfelds ließen ihn kalt. Er fordert: „Das Thema muss in der Öffentlichkeit breiter diskutiert werden. Dazu gehört auch die Politik.“ Der Staat habe durch das Glücksspiel Steuereinnahmen in Millionenhöhe, entsprechend verhalten seien Gegenmaßnahmen. „Die neue Regel, dass Spielhallen 350 Meter voneinander entfernt sein müssen, ist nicht wirklich hilfreich“, sagt er. „Spieler finden fast immer einen Weg.“
Unterstützung vom Arbeitgeber
Auch als seine Ex-Freundin seine EC-Karte verwaltete, oder sein Limit bei der Bank bei täglich 25 Euro lag, fand er Wege in die Spielhalle. „Hilfreiche Strategien muss jeder selbst herausfinden. Auch das Angebot von Spielhallen, sich per Gesichtserkennung sperren zu lassen, hilft nur, wenn das für alle Hallen gilt.“ Seine aktuelle Hoffnung ruht auf seinem Arbeitgeber, der Bundeswehr. „Ich möchte Klarheit haben, wohin ich versetzt werde und nach der täglichen Arbeit nach Hause können, anstatt in einer Kaserne zu bleiben.“ Erst dann könne er eine ambulante Therapie beginnen, die Kostenübernahme klären oder sich eine andere Stelle suchen.
Seine Mutter will mit ihrer Hilflosigkeit nicht alleine sein, sich nicht ständig die Frage nach einer Schuld stellen oder sich finanziell einschränken. „Ich werde mit dem ASB eine Selbsthilfegruppe gründen. Angebote nur für Angehörige gibt es so gut wie nicht“, sagt sie. Ihr Sohn müsse den Schlüssel zu einem Leben ohne Sucht finden. Beide hoffen auf ein spielfreies Leben.
>>>Selbsthilfegruppe in Planung
In NRW gibt es 4200 Spielhallen und etwa 40 000 Glücksspiel-Süchtige. Bundesweit gelten 700 000 Menschen zwischen 16 und 70 Jahren als „problematische Spieler“.
Seit dem 1. Dezember gilt der neue Glücksspiel-Staatsvertrag. Dieser scheibt einen Mindestabstand von 350 Metern zur nächsten Spielhalle sowie zu Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor.
Die neue Selbsthilfegruppe ist aktuell noch in der Planungsphase. Frau T. hat jedoch bereits eine E-Mail-Adresse eingerichtet, unter der sich Interessierte melden können. Sie lautet: glueckssucher-nrw@web.de.