Hattingen. . Laut einer Studie landen EN-Bürger öfter vor Gericht als andere. Hattinger Schiedsleute schlichten vor allem unter Nachbarn.

Mehr als jeder vierte Einwohner im Ennepe-Ruhr-Kreis ist in einen Rechtsstreit verwickelt. Zu diesem Ergebnis kommt der Streit-Atlas, eine Studie des Rechtsschutzversicherers Advocard, der seine Streitfälle aus dem Jahr 2016 ausgewertet hat. Die Kreisbewohner gehören damit zu den streitlustigsten Bürgern der Republik.

29,4 Streitfälle pro 100 Einwohner zählt die Studie für den Ennepe-Ruhr-Kreis. Zum Vergleich: NRW-weit wurden durchschnittlich 28,8 Rechtsstreits gezählt. Auch im Vergleich zu den Nachbarregionen Mettmann (28,7) und Bochum (27,2) sind die Kreisbewohner streitlustig.

Bredenscheider sind friedlich

Dass die Zahl der Hattinger Streitigkeiten zugenommen hätte, könnten Lothar Kipscholl und Ernst Peter Koch, beide seit langem Schiedsleute in Hattingen, nicht beobachten. Durchschnittlich 20 Fälle außergerichtlicher Auseinandersetzungen pro Jahr werden dem Amtsgericht in Hattingen von den Schiedsleuten gemeldet. „Die Bredenscheider sind ganz friedlich. Da gibt es nur ein bis zwei Fälle im Jahr“, sagt Koch. Schon seit mehr als 30 Jahren ist er Schiedsmann im Stadtteil. Lothar Kipscholl ist seit fast 15 Jahren für Blankenstein zuständig. Er weiß: „Mal gibt es nur wenige Fälle, eine Zeit gar nichts und dann knubbelt es sich wieder.“

Oft streiten sich Ehepaare

Während die Studie feststellt, dass vor allem Männer Streit suchen, haben die Schiedsleute unterschiedliches Klientel – von jung bis alt, Männer und Frauen. „Oft sind es Ehepaare, die sich streiten“, berichtet Koch. Und meist müssen die Hattinger in Nachbarschaftsstreits schlichten. Oft haben die bereits eine lange Vorgeschichte. „Am einfachsten ist es, wenn eigentlich beide eine Lösung wollen, aber niemand das Gesicht verlieren will“, sagt Kipscholl. Sobald aber jemand den Anwalt mitbringe, „geht nichts mehr“.

Gerade in den vergangenen Jahren habe die Gesprächsbereitschaft der Streitparteien nachgelassen, beobachtet Koch: „Die wollen sich gar nicht einigen, sondern direkt vor Gericht und vom Schiedsmann nur die nötige Bestätigung, dass ein Einigungsversuch erfolglos war.“

Trennung und Erbschaft sind Hauptgründe

Übrigens landet die Gruppe der 46- bis 55-Jährigen im Ennepe-Ruhr-Kreis am häufigsten vor Gericht (28,3 Prozent). Dabei geht es bei den Fällen, die dort ausgefochten werden, laut Studie in mehr als der Hälfte der Fälle (66,5 Prozent) um Streitwerte unter 2000 Euro.

Bei den Themen liegen private Auseinandersetzungen vorn – und dabei Streits bei Trennungen oder Erbschaften. Im Verkehr sind Unfälle und Geschwindigkeitsüberschreitungen die häufigsten Anlässe für Streits.

Landet ein Disput von der Arbeit vor Gericht, geht es bei einem Drittel der Fälle um die Bezahlung. Im Bereich Wohnen und Miete bieten die Betriebskosten häufigsten Grund für Auseinandersetzungen, dicht gefolgt von den Nachbarschaftsstreits.