Hattingen. Im vergangenen Jahr sind bei der Polizei im EN-Kreis insgesamt 406 Fälle häuslicher Gewalt aktenkundig geworden. Opfer sind fast immer Frauen.
Es war nicht das erste Mal, dass er sie schlug. Aus Angst vor ihm vertraute sie sich weder Freunden noch Bekannten an. Erst als ein Nachbar ihre Schreie hörte und die Polizei rief, kam die Sache ans Licht. Solche und ähnliche Fälle kommen im Ennepe-Ruhr-Kreis immer wieder vor. Häusliche Gewalt ist für viel zu viele qualvoller Alltag, wie die Mitglieder des Runden Tischs EN mitteilen.
Die Kreis-Polizei hat im vergangenen Jahr insgesamt 406 Fälle häuslicher Gewalt registriert. 207 Mal wurden die Gewalttätigen – es sind fast immer Männer – aus den Wohnungen verwiesen. In 252 Fällen wurden die Opfer – fast durchgängig Frauen oder Kinder – an Beratungsstellen weiterverwiesen. Und das sind nur die Fälle, bei denen die Polizei eingeschaltet wurde.
Studie: Jede vierte Frau betroffen
Hinzu kommt eine Vielzahl an Betroffenen, die sich direkt an die Beratungsstellen wenden. Weil sie im häuslichen Umfeld geschlagen, gedemütigt oder kontrolliert werden. Oder weil sie Angst haben, dass ihnen das demnächst passiert.
Doch das sind nur die Fälle, von denen Außenstehende überhaupt erfahren. Beratungsstellen und Polizei im Kreis gehen von einer Dunkelziffer aus, die viel höher liegt. Gewalt im häuslichen Umfeld ist trotz aller Aufklärung für viele ein Tabuthema. Dabei erfährt laut einer Studie jede vierte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens häusliche Gewalt.
„Es ist dringend nötig, die Opfer körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt über ihre Rechte zu informieren und sie zum Handeln zu ermutigen“, sagt Petra Bedow, Geschäftsführerin des Runden Tisches EN gegen Häusliche Gewalt. Er existiert seit dem Jahr 1999 und kämpft dafür, gewaltbetroffenen Frauen und Kindern im Ennepe-Ruhr-Kreis ein sichereres Leben zu ermöglichen.
„Sicherheit um jeden Preis“
Die Mitglieder haben auch in diesem Jahr wieder kreisweit Aktionen gestartet, mit denen sie die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam machen wollen. Unter dem Motto „Sicherheit um jeden Preis“ verteilen sie etwa 2000 Geldbörsen, auf denen die Botschaft gut lesbar aufgedruckt ist. Im Innern steckt jeweils ein Kärtchen mit Rufnummern für Frauen in Not.
Die Geldbörsen sind knallbunt, passen in jede Tasche und sind wie gemacht für den Disco- oder Kneipenbesuch. Kein Zufall. Der Fokus der Akteure richtet sich derzeit verstärkt auf die sexualisierte Gewalt – und deren Opfer sind vor allem jüngere Frauen.
Das Thema erfährt durch Skandale wie den um Hollywood-Produzent Harvey Weinstein gerade mehr Öffentlichkeit. Weinstein muss sich wegen sexueller Übergriffe verantworten. „Seitdem kommen mehr Frauen zu uns und trauen sich, darüber zu sprechen“, sagt Andrea Stolte, Leiterin der Frauenberatung EN. Die Art von Gewalt habe sich vor allem durch das Internet geändert. Heute gebe es für Drohungen, Nötigungen und Bedrängen im Netz einen eigenen Begriff: Teen Dating Violence. Grund genug also, die Gewalt gegen Frauen und im häuslichen Umfeld weiter zu bekämpfen.
>> INFO: Gewaltbetroffenen Frauen und Kindern ein sichereres Leben ermöglichen
Der Runde Tisch EN gegen Häusliche Gewalt existiert seit 1999. Er vernetzt Institutionen und Fachleute aus Justiz, Polizei, dem Opferschutz, den Beratungsstellen, dem Frauenhaus, der Frauenberatung, dem Gesundheitswesen und die Gleichstellungsbeauftragten der Städte und der Kreisverwaltung miteinander, um den gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern ein sichereres Leben zu ermöglichen. Schirmherr ist Landrat Olaf Schade.
Der „Runde Tisch EN gegen Häusliche Gewalt“ ermutigt alle Betroffenen, sich an Beratungsstellen, an das Frauenhaus oder an die Polizei zu wenden. Zeugen Häuslicher Gewalt sollten Warnsignale in jeglicher Form beachten und den Opfern ihre Unterstützung anbieten.
Ansprechpartner:Frauenhaus.EN: 02339 6292 Frauenberatung EN: 02324 38093050 Opferschutzbeauftragte der Polizei: 02302 209-4059 und 02336 9166 2956
Weißer Ring: 0151 55164777