Hattingen. . Bei einem Rundgang durch die Hattinger Museen lohnt sich oft ein zweiter Blick. Zwischen allen Exponaten lassen sich auch wahre Schätze finden.
- Zwei Bandweber brauchen insgesamt eine Woche, um den Jacquard-Webstuhl mit allen Fäden zu bestücken
- Das Bandwebereimuseum zeigt eine gelungene Mischung zwischen Industrie- und Heimatgeschichte
- In jedem zweiten Haushalt in Elfringhausen stand nach dem Zweiten Weltkrieg ein eigener Webstuhl
Mit einem kurzen Knopfdruck bringt Friedrich-Wilhelm Pöthmann den riesigen Jacquard-Webstuhl in Bewegung. Erstaunlich leise rattert der los. Der Webstuhl ist das Herzstück der Dauerausstellung im Bandwebereimuseum Elfringhausen. Seit einem Jahrhundert leistet die Maschine bereits gute Dienste. Zur Blütezeit der Weberei war sie in Elfringhausen, nicht weit vom Museum entfernt, im Einsatz.
Bis Beobachter jedes einzelne, sich bewegende Detail des Webstuhls erfasst haben, vergehen unzählige Minuten. Unten verschieben sich die Schussspulen, an der Seite laufen Greifhaken auf und ab und oben klappern Lochkarten. Dazwischen sind kilometerlange Fäden gespannt. „Ich brauche zusammen mit einem Kollegen eine Woche, um den Webstuhl neu zu bestücken“, erklärt Friedrich-Wilhelm Pöthmann, selbst gelernter Weber. Kein Wunder, in einem Band laufen rund 400 Fäden zusammen. Und der Jacquardwebstuhl aus Elfringhausen spuckt gleich mehrere Bänder zur gleichen Zeit aus.
Für das Muster im Band sind die sogenannten Kettfäden zuständig. Sie werden mit Hilfe der Greifhaken an der Seite des Stuhls bei Bedarf angehoben oder gesenkt. So liegt der Kettfaden, der senkrecht verläuft, manchmal unter dem waagerecht laufenden Schussfaden und manchmal darüber. Wann ein Kettfaden von dem Hakensystem gepackt wird, bestimmt die Lochkarte. „Es ist praktisch eine technische Zeichnung von dem Bandmotiv“, beschreibt Pöthmann.
Lochkarten-Steuerung
Diese Lochkarten müssen die Weber in Elfringhausen ebenfalls per Hand ausstanzen. Jeder kleine Punkt auf der Karte ist der Auftritt eines Fadens. Und jeden dieser Punkte muss Pöthmann auf die Lochkarte übertragen. Die Platten aus dickem Karton werden nachher aneinander gebunden. So entsteht ein langes Band aus Lochkarten.
Trifft die Nadel ein Loch in der Karte wird der Kettfaden gesenkt, sonst angehoben. Um solch eine Technik beherrschen zu können, braucht es viel Erfahrung. „In den drei Jahren Ausbildung haben wir praktisch die Grundprinzipien erlernt. Danach fängt der Lernprozess im Betrieb erst richtig an“, erinnert sich Pöthmann.
Webstuhl in jedem zweiten Haushalt
In jedem zweiten Elfringhauser Haushalt stand nach dem zweiten Weltkrieg ein Webstuhl. Im Jahr 1961 gab es dort 29 Weber mit 63 Bandstühlen. Der Webstuhl aus dem Museum war bis 1998 in Betrieb. Von Elfringhausen aus wurde Zuarbeit für die großen Wuppertaler Firmen geleistet. „Mit den vollautomatisierten Maschinen kam hier dann der Abbruch.“
Der Jaquard-Webstuhl aus dem Bandwebereimuseum ist deshalb eine Besonderheit, weil er und seine hölzernen Kollegen die ersten Maschinen in der Geschichte waren, die mit solchen Lochkarten gesteuert werden konnten. Ab dem Jahr 1805 war es so möglich, immer gleichaussehende Muster zu weben.
Die Jaquard-Webstühle gibt es noch immer. Gleich neben dem hölzernen Exemplar steht eines, das mit Computertechnik gesteuert wird. Die Impulse für Senken und Heben geben hierbei keine Nadeln mehr, sondern Magnete.