Das Restaurant „Zur Glocke“ kennt in Hattingen (fast) jeder. Das „große Genießer-Haus im Herzen der Altstadt“, wie der heutige Inhaber Antonios Protopapas es nennt, hat eine bewegte Vergangenheit – im Wortsinn. Die „Glocke“ nämlich war Hattingens erstes Ladenkino.

Das Restaurant „Zur Glocke“ kennt in Hattingen (fast) jeder. Das „große Genießer-Haus im Herzen der Altstadt“, wie der heutige Inhaber Antonios Protopapas es nennt, hat eine bewegte Vergangenheit – im Wortsinn. Die „Glocke“ nämlich war Hattingens erstes Ladenkino.

„Achtung! Riesen-Kinematograph. Samstag, Sonntag und Montag. Vorführung lebender Photographien in nie gesehener Schönheit“, kündigte eine Anzeige in der Hattinger Zeitung am 12. Oktober 1907 für die „Glocke“ an der Johannisstraße 4 Großes an. Der damalige Wirt Gustav Heinrich Drenhaus hatte diese geschaltet, ein gelernter Sattlermeister. Eine Vorführmaschine kaufte er eigens für die „Glocke“, bot in dem heute unter Denkmalschutz stehenden Gebäude aus dem 19. Jahrhundert fortan regelmäßig Kino an. Zur Untermalung von Stummfilmen, anfangs nicht untertitelt, diente ein elektrisches Klavier. Ab und an, schreibt Nachfahr Ulrich Drenhaus in der Familienchronik, machte Sohn Alfred Musik.

Zwar wuchs die Kino-Konkurrenz um die „Glocke“ herum rasch, doch Drenhaus’ Geschäft schien zu florieren. Warum sonst ließ er anno 1912 einen Saal des Restaurants zum Lichtspieltheater mit 300 Sitzplätzen ausbauen? Zudem hatte er 1910 das von Emil Freund eröffnete Edison-Theater übernommen. Ein Pendeljunge trug seither an Vorstellungstagen die Rollen für die zeitversetzt laufenden Filme von der „Glocke“ zum Drenhaus-Kino auf der Heggerstraße. Damalige Kassenschlager – wie „In Nacht und Eis“, ein heute auf Youtube zu sehendes Stummfilmdrama über die Ereignisse, die am 15. April 1912 zum Untergang der Titanic führten – wurden in der Glocke gezeigt. Aber auch „wissenschaftliche Lichtbildvorträge“ über „Gesunde Mütter und lebensfrohe Nachkommenschaft“.

Allein als Kino genutzt wurde die „Glocke“ nie, an den meisten Tagen war und blieb sie: Gaststätte. Eine beliebte Anlaufstelle war sie auch für Gruppen: Tanzschulen, Lesezirkel, Kegelklubs, Gewerkschaften, Sport-, Gesangsvereine. Sogar ein Stück Wirtschaftsgeschichte wurde in dem Restaurant geschrieben: Am 12. Februar 1924 wurde in der „Glocke“ die Bank für Handel und Gewerbe gegründet, die spätere Volksbank.

Der Vorführsaal wurde zu klein

Irgendwann reichte der Platz in der Johannisstraße nicht mehr aus für die vielen Kinogänger. Das Angebot der Henrichshütte, ihren Saal im Adler-Palast in der Henschelstraße in Welper als Vorführsaal zu nutzen, nahm Gustav Heinrich Drenhaus an. Im Oktober 1931 erfolgte der Umzug. „Zur Glocke“ ging man fortan wieder nur zum Speisen, Feiern, Beisammensein. So ist es über die Jahrzehnte geblieben bis heute, da auf Drenhaus viele Wirte folgten – nach dem Ausstieg der langjährigen Pächterin Karin Murawa seit 2013 der Grieche Antonios Protopapas.

Dem traditionsreichen Haus hatte er mit der Umwandlung in ein mediterranes Restaurant den Namen „Kaktus“ gegeben. Doch alsbald, sagte Protopapas einmal, habe er erkennen müssen, dass der Name „Zur Glocke“ „von großer Bedeutung ist und zu Hattingen gehört“. – Mit und ohne Kino.