Hattingen. . WAZ-Leser besichtigen das Glockenspiel im Johannisturm und wünschen sich bei einer Hörprobe die Musik über der Stadt zurück.
- Glockenturm am Kärmersdorf gehörte zur Johanniskirche, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde
- Das Glockenspiel ist computergesteuert und besteht aus 25 Stahlglocken
- WAZ-Leser wünschen sich, das Geläut der Glocken künftig wieder öfter zu hören
„Sie haben hier ein ganz besonderes Glockenspiel vom Bochumer Verein. Davon gibt es nicht viele“, sagt Sebastian Otto, der im Glockenturm am Krämersdorf für die Wartung des Systems zuständig ist. In der Reihe „WAZ öffnet Pforten“ konnten ihn die Leser zur Technik befragen und erfuhren von Denkmalpfleger Jürgen Uphues geschichtliche Hintergründe.
Zum Beispiel, dass hier ursprünglich gar keine Kirche und kein Turm standen, sondern das Stadtweinhaus, einst wichtiger Ort der Rechtssprechung. Später wurde es Gottesdienststätte für die reformierte Gemeinde, die hier schließlich bis 1728 oder 1737 – „das gibt es unterschiedliche Angaben“ – die Johanniskirche baute. Vor der steht heute nur noch der Turm, nachdem eine Luftmine das Kirchenschiff am 14. März 1945 zerstörte. Und auch der Turm sollte 1955 bereits abgerissen werden, bis er aus Fördermitteln der Denkmalpflege wieder aufgebaut wurde und 1958, von Leo Gottwald gestiftet, sein Glockenspiel erhielt.
Das kleine Fenster zum Krämersdorf hin zeigt noch den ehemaligen Zugang zum Dachstuhl der Kirche. „Und was wurde aus den Glocken von damals“, interessiert eine Leserin. „Eine der alten Kirchenglocken wurde nach Holthausen gebracht“, weiß Uphues.
Manuell oder per Computer
Und wie viele Glocken klingen heute im Turm, möchte Ulrich Tönnies wissen. 25 Stahlglocken sind es. „Die sind aber nicht freischwingend, sondern werden elektromagnetisch angeschlagen“, erklärt Uphues. „Es ist möglich, damit fast alle Musikstücke zu spielen“, weiß Sebastian Otto. Und das entweder manuell an der Tastatur, oder per Computer, der derzeit 95 Lieder gespeichert hat. Die Hörprobe gibt es für die WAZ-Leser gleich hinterher. „Allerdings sind die Lieder nur mit Nummer eingespeichert, es könnte also sein, dass ich ein Weihnachts- oder Osterlied erwische“, entschuldigt Otto vorab.
Dann darf Besucherin und Kirchenmusikerin Heidrun Henning in die Tasten hauen. Und bemerkt die Schwierigkeit beim Spiel der Glocken: die Zeitverzögerung. „Es ist, als hätte man Kaugummi an den Fingern. Der Ton kommt erst, da ist man schon eine Taste weiter“, gibt sie lachend ihre Eindrücke wieder.
Und dann geht es endlich ganz nach oben. Drei Metallleitern müssen die Besucher dafür erklimmen. Dann stehen sie inmitten der Glocken. „Warum haben die noch die alten Klöppel“, fragt Gerd Wilker. Denn angeschlagen werden die Glocken inzwischen von außen. Grund ist der Denkmalschutz. Deshalb wurden die Klöppel erhalten, der früher über einen Elektromagneten an die Glocke gezogen wurden. Und dass die Schwinger noch funktionieren, testen die Leser direkt vor Ort und versetzen dem Klöppel einen Schwung.
Wiederbelebung des Glockenspiels gewünscht
Warum ist das Glockenspiel eigentlich nicht mehr in der Stadt zu hören, bedauern viele von ihnen. Nur zu besonderen Anlässen erklingt es noch, seit Walter Schulte, der jahrzehntelang die Tasten bediente, es nicht mehr spielt. Eine Zeitprogrammierung des Abspielcomputers wäre problemlos möglich – sogar im Viertelstundentakt wenn gewünscht, was aber übertrieben sei, räumt Sebastian Otto ein. Jürgen Uphues verspricht, sich zu erkundigen, wie das Glockenspiel vielleicht wieder häufiger in Betrieb genommen werden kann.