Hattingen. Der Hattinger Psychologe Heinrich Obberg hat ein Buch herausgegeben: „Wohlstand ohne Wohlgefühl?“ Tipp: kleine Zeitfenster schaffen.

Viele Menschen sind in dieser Beschleunigungsgesellschaft aus der Spur geraten. Es geht schon lange nur noch um schneller, höher, weiter. „Sie merken durch die aggressive Konkurrenz gar nicht mehr, dass ihnen ein Mensch gegenüber sitzt. Sie merken keine Resonanz mehr, haben aufgehört, zu schwingen“, sagt der Hattinger Diplom-Psychologe Heinrich Obberg. Er ist Herausgeber und Autor des Buchs „Wohlstand ohne Wohlgefühl?“ und möchte mit seinen Texten Brücken bauen. Menschen dabei helfen, sich wieder mit sich selbst in Kontakt zu bringen.

Mit fantasiereichen Bildern ist das Buch geschrieben. Außer Talent möglicherweise auch eine positive Auswirkung seines Schreibwerkstatt-Besuchs. Obberg schreibt nicht mit erhobenem Zeigefinger, erklärt nicht, was Millionen von Menschen, die sich selbst entglitten sind, zu tun haben. Er gibt Hilfestellung für Individuen, damit jeder seinen eigenen Weg zu sich finden kann.

Schleichende Entwicklung

Das Problem dieses Selbstverlierens durch Stress und Arbeitsbelastung ist die schleichende Entwicklung. „Es fängt immer ganz harmlos an“, sagt der Psychologe. „Man ist umgeben von TV, Tablet, Handy und Spielkonsole, die ja nicht als solche böse sind. Aber das Unmerkliche ist das Gefährliche.“ Man verliert den Kontakt und den Bezug zu sich selbst.

Trotz des immensen Reichtums dieser Gesellschaft ist vielen durch „das Diktat der Globalisierung“ das Wohlgefühl abhanden gekommen. Heilsrezepte hat der Psychologe nicht, aber er baut tatsächlich Brücken, zeigt Wege auf, die jeder für sich selbst ausprobieren kann „Mein Ziel ist es nicht, die Menschen so zu verändern, dass sie noch besser in die Beschleunigungsgesellschaft passen. Wir haben viel Geld, aber keine Entspannung mehr, wir haben die innere Navigation verloren.“

Das Gezwitscher der Vögel wahrnehmen

Der gebürtige Niederrheiner liefert inhaltliches „Baumaterial, um neue Brücken zu eigenen Ufern zu schlagen.“ Er weiß, was Natur, Wasser, Wald bedeuten können, wenn man den richtigen Umgang findet. Die Stille – anfangs ertragen und später genießen – kann ein Weg sein. In den Wald gehen, Ruhe finden, das Gezwitscher der Vögel wahrnehmen. Oder sich an einen Fluss setzen, aufs Wasser sehen, einen Sonnenuntergang beobachten, abschalten. „Dann merkt man erst, welche Kraft von der Natur ausgeht.“

Ein Baustein, um zu neuen Ufern zu gelangen, sind kleine Zeitinseln, die man sich schafft. Ein weiterer: Umdenken, was eigene Fehler betrifft. Ein offener Umgang mit Fehlern könne ein Schlüssel zur Umkehr sein, Fehler als Lernprozess begreifen, nicht als Versagen. Kleine Schritte auf dem Weg zu sich selbst nicht missachten, sondern wertschätzen. Das Buch ist sprachlich und als Brücke zu sich selbst ein Juwel.