Hattingen. Uwe Kleinschmidt schaut sich die Stämme und Äste im Stadtgebiet intensiv an. Seine Berichte geben den Pflegekolonnen Anweisungen, was zu tun ist.

  • Uwe Kleinschmidt schaut sich die Stämme und Äste im Stadtgebiet Jahr für Jahr intensiv an
  • Seine Berichte geben den Pflegekolonnen genaue Anweisungen, was zu tun ist
  • Der 56-Jährige liebt seinen Beruf – mal drinnen, mal draußen, mal Natur, mal Büro

Bekenntnis eines Gärtners: „Man guckt immer nur nach oben.“ Eine Berufskrankheit quasi. Das sagt Uwe Kleinschmidt, der bei der Stadt zertifizierter Baumkontrolleur ist. Sprichwörtlich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen, das kann dem 56-Jährigen nicht passieren. „Ich kenne hier jeden Baum mit Vornamen“, sagt er und schaut mal wieder nach oben. Er geht anders durch die Welt als der normale Mensch. 9000 Bäume nimmt er pro Jahr unter die Lupe. 6000 bis 7000 auf städtischem Gebiet. An Schulen und Kindergärten wird zweimal kontrolliert.

In diesem Jahr beginnt er in Welper an der Erik-Nölting-Grundschule. Er begutachtet einen Ahorn, der auf dem Schulgelände steht. Ein abgebrochener Ast hat sich senkrecht in anderen Zweigen verfangen. Das gibt auf dem Stamm einen dicken grünen Punkt. Kleinschmidt ist wohl der einzige Sprayer, der in der Öffentlichkeit ganz locker während des Tages mit einer Spraydose hantiert. Es ist ein Markenprodukt für Bäume, das in ungefähr zwei Jahren wieder weggewaschen ist.

Mit 100 Jahren ist eine Buche im besten Alter

In diesem Jahr sagt der grüne Punkt der Baumpflegekolonne, dass dieser Baum Beachtung finden muss. Was genau an Eiche, Kastanie, Buche und Co. zu machen ist, trägt der Baumkontrolleur in Seiten ein, nach denen sich die Baumpfleger richten. Jedes Jahr nimmt der oberste Baumwächter eine andere Farbe, damit keine Verwechslung aufkommt.

Auf die Kronen der zum Teil mächtigen Riesen fällt sein Augenmerk zuerst. Mit 100 Jahren ist eine Buche zum Beispiel gerade mal im besten Alter. Dann wandern die Blicke langsam hinunter. Gibt es Faulstellen oder Risse, sind Äste trocken geworden, hat er Schädlings- oder Pilzbefall, ist die Verkehrssicherheit gewährleistet? Seit dem Jahr 2000 führt er diese Kontrollen durch. Die Bäume zunächst mit Abstand zu taxieren, verschafft ihm Überblick.

Geändert hat sich im gärtnerischen Bereich eine Menge

Wieviel Verantwortung lastet auf seinen Schultern? „Ich stehe nicht ständig mit einem Bein vor Gericht“, betont er. Wichtig sei die regelmäßige Kontrolle. „Ich sehe ja nicht in die Glaskugel. Natürlich können beim Sturm Äste abbrechen, es kann auch ein ganzer Baum umfallen. Aber ich decke ja auch kein Dach ab, weil beim nächsten Sturm Ziegel herunterfallen könnten“, sagt Uwe Kleinschmidt.

Geändert hat sich in den vergangenen Jahren auch im gärtnerischen Bereich eine Menge. Erkenntnisse sind hinzu gekommen, Bäume werden anders gepflegt. „Man lässt heute Wasser in Gabelungen stehen. Früher hat man eine Ritze in den Stamm gezogen, damit das Wasser ablaufen kann. Heute weiß man, dass im Wasser keine Pilze wachsen und eine Beschädigung im Stamm immer eine Gefahr für den Baum bedeutet.

Seinen Beruf liebt Uwe Kleinschmidt, weil er so abwechslungsreich ist: „Mal drinnen, mal draußen, mal Natur, mal Büro.“

>> Baumschutz gelingt auch ohne Vorschriften

Hattingen hat keine Baumschutzsatzung. „Das finde ich prima, denn es klappt hier auch ohne Vorschriften ausgesprochen gut“, betont Uwe Kleinschmidt, bei der Stadt der einzige zertifizierte Baumkontrolleur.

In vielen Städten im Ruhrgebiet schreibt eine Satzung den Bürgern akribisch vor, was sie in ihren eigenen Gärten zu tun und zu lassen haben, welche Bäume ab welchem Stammumfang noch gefällt werden und welche Sorten nicht mehr angerührt werden dürfen.

„Ich finde, dass Städte sich bei den privaten Entscheidungen heraushalten sollten. Man muss Bürgern nicht vorschreiben, was sie in ihrem eigenen Garten machen dürfen. Jeder weiß doch, dass gerade in belasteten Gebieten Bäume wichtige Sauerstoffproduzenten für die Menschen sind“, sagt Uwe Kleinschmidt. Bei Bürgern, die Gärten hätten, könne man ja davon ausgehen, dass sie die Natur lieben.

Dabei hebt der Baumkontrolleur noch einen anderen Aspekt hervor. Wenn man bestimmte Bäume über 80 Zentimeter Durchmesser nicht mehr fällen dürfe, würde man sie eben eher abholzen, anstatt sie erst einmal weiter wachsen zu lassen. „Das ist doch kontraproduktiv, so ein Vorgehen ist absoluter Unsinn“, ist er überzeugt.