Hattingen. . Pflegestärkungsgesetz wirkt sich positiv auf ambulanten Bereich aus. Viele Auswirkungen sind für EN-Kreis-Expertin aber noch nicht abschätzbar.

  • Caritas bietet in Hattingen eine neue offene Sprechstunde zu dem Themenkomplex Pflege an
  • Einige Experten schätzen, dass es schwieriger wird, eine hohe Pflegestufe zu erhalten
  • Expertin Elke Zeller vom EN-Kreis rät zur rechtzeitigen Vorsorge für die eigene Versorgung im Pflegefall

Das Pflegestärkungsgesetz II ist seit wenigen Wochen in Kraft – und Anbieter von Entlastungsdiensten merken bereits eine erhöhte Nachfrage. Aber insgesamt fehlen Erfahrungen: „Es gibt viele neue Regelungen, deren Auswirkungen wir nicht abschätzen können“, sagt Elke Zeller, Diplom-Sozialgerontologin, Kreis-Fachbereich Soziales/Gesundheit.

Die stationäre Pflege sei im Vergleich zur häuslichen Pflege nun finanziell unattraktiver. „Für den ambulanten Bereich ist das Pflegestärkungsgesetz II positiv. Bei uns werden Betreuungs- und Entlastungsleistungen häufiger nachgefragt. Sie helfen pflegenden Angehörigen. Noch haben wir genug Kräfte, aber die sind jetzt ausgelastet“, sagt Marcel Albrecht, Pflegedienst-Leiter der Caritas-Sozialstation Kupferdreh, die auch für Hattingen zuständig ist.

Neue offene Pflegesprechstunde der Caritas

Er bietet künftig neu eine offene Beratung an der Bahnhofstraße in Hattingen an – und zwar mittwochs von 13 bis 16 Uhr. Etwa zwischen 20 und 40 Euro bewegt sich je nach Anbieter der Preis pro Stunde für solche Betreuungsleistungen. Eine hohe Nachfrage nach Betreuung registriert auch Ulrich Maus, Pflegedienstleitung Hattingen/Sprockhövel bei der Diakonie Mark-Ruhr. „Wir merken, dass die Menschen aufgeklärter sind. Es gibt mehr Transparenz bei den neuen Pflegegraden“, findet er. Pflegegrad 1, meint Zeller, sei inzwischen leichter zu bekommen – damit einher geht der Anspruch auf 125 Euro pro Monat für Entlastungs-Leistungen.

Auswirkungen des Gesetzes auf die Tagespflege merkt Gennaro De Rosa, Leiter der EvK-Kurzzeit- und Tagespflege, nicht. „Wir können nicht mehr Plätze anbieten, weil das nicht gefördert wird“. Zwölf Patienten pro Tag kommen in die Tagespflege. „Viele würden gerne einen Tag mehr pro Woche kommen. Das ist aber finanziell nicht drin.“ 44 Menschen betreut die Einrichtung insgesamt. Zwölf stehen auf der Warteliste. Negative Auswirkungen macht er bei der Kurzzeitpflege aus: „Da können künftig wohl statt 28 Tagen nur 25 finanziert werden.“

Erfahrungswerte fehlen zur Einschätzung des Grades

„Früher konnte ich eine Abschätzung abgeben, welche Pflegestufe jemand bekommt, aber jetzt haben wir noch keine Erfahrungen“, erklärt Zeller. Experten würden derzeit davon ausgehen, dass es schwerer würde, eine hohe Pflegestufe zu erreichen. Sie verweist darauf, dass die Gutachter jetzt anfangs doppelt bis drei Mal so lange für die Begutachtung brauchen würden. Zeller: „Ich will niemandem Angst machen, aber jeder sollte, so gut es geht, für sich vorsorgen“, beispielsweise „zeitig aus der Wohnung in der fünften Etage ohne Aufzug ausziehen“ oder sich mit Nachbarn gut stellen, damit die „mal Brötchen mitbringen“. Bis 2025 werde der Über-80-Jährigen-Anteil in Hattingen – jeder dritte davon pflegebedürftig – um 700 bis 800 steigen.

„Große Unsicherheit auf allen Seiten“, kommentiert Emmy-Kruppke-Seniorenzentrums-Leiterin Ursula Champignon die Auswirkungen des Pflegestärkungsgesetzes. „Wir haben erst in dieser Woche vom Kreis eine Stellungnahme erhalten, bei welchen Pflegegraden Sozialhilfe gezahlt wird.“ Positiv sei, dass künftig bei einer Pflege-Höherstufung der Bewohneranteil nicht erhöht werde.

Heime in Hattingen sind ausgelastet – es wird eng

Stefan Buschhaus, Leiter Heidehof und Haus der Diakonie, kritisiert, dass es für Demenzerkrankte schwieriger werde, einen hohen Pflegegrad zu erlangen. Auch wenn Pflege nach Minuten vorbei sei: „Zeit braucht man. Beim der Selbstversorgung ist das Waschen von Rücken, Beinen, Füßen gar nicht aufgeführt.“ Mancher könne sich eigenhändig waschen, bräuchte aber Anleitungsimpulse. Das sei zeitintensiv – und nicht berücksichtigt.

In Hattingen sind die Heime laut Elke Zeller vom Kreis ausgelastet. „Besonders dort wird es künftig eng.“ Bis 2018 müssen 80 Prozent der Zimmer Einzelzimmer sein, „dadurch fallen teils die Übergangsunterbringungsmöglichkeiten für Hattinger in Heimen in Nachbarstädten weg.“