HAttingen. . Von der Liebe nach der Wasserrettung, dem Tod eines Kindes, der Flucht aus dem Osten berichten die Bewohner des Emmy-Kruppke-Seniorenzentrums.
- Im Seniorenzentrum fand Wilhelm Lilienthal nach dem Tod seiner Frau sein Leben wieder
- Vor 300 Studierenden wurden Liebesbriefe an Sigrid Mavec öffentlich vorgelesen – da floh sie in den Westen
- Renate Katzmarziks Ehemann starb an ausgerechnet Heiligabend an Bauchspeicheldrüsenkrebs
Zeit zum Erinnern: Das bieten die Tage zwischen den Feiertagen oft – auch vielen Senioren im Emmy-Kruppke-Seniorenzentrum.
70 Jahre war Wilhelm Lilienthal (93) mit seiner Frau verheiratet. Als 17-Jähriger hatte er sie aus dem Wasser gezogen. „Sie ruderte im Damenvierer, ich im Herrenvierer in Berlin, ihr Boot kippte um, sie konnte nicht schwimmen.“
Er rettete sie – und machte gleich einen Heiratsantrag
Er blickte ihr in die Augen, als sie diese wieder aufschlug, fragte er sie gleich, „ob sie nicht warten könne, bis ich eine Familie ernähren kann, dann würde ich sie heiraten“. Und genau so kam es auch. 1945 heiratete das Paar.
Fast ein Jahr lebt er inzwischen in dem Heim. „Ich bin freiwillig gekommen. Als meine Frau starb – und zwar als ich auch im Krankenhaus lag, eine Etage unter ihr – da konnte ich die Wohnung nicht mehr ertragen.“ Weil seine Tochter in Hattingen lebt, wählte er das Seniorenzentrum in Welper. Zwei Enkel und fünf Urenkel hat er.
Im Seniorenheim fand er sich selbst wieder
„Ich musste wieder unter Menschen. Hier habe ich mich selbst wiedergefunden, ein zweites Leben gefunden. Hier gehe ich nicht mehr weg.“ Und er hat seine Liebe zu Pflanzen entdeckt, gelernt, wie man Orchideen richtig pflegt.
Weil seine Enkeltochter ihn gebeten hat, schreibt er seine Lebenserinnerungen auf. Darin wird auch vom Betriebsunfall bei Georg Fischer zu lesen sein, bei dem er ein Auge verlor.
Käthe Mattekat hält Kontakt zu ihrer Schwester (105)
Käthe Mattekat (95) ist eines von fünf Kindern – und wurde in Ostpreußen groß. „Da haben wir alle Feste immer zusammen gefeiert.“ Ihre 105 Jahre alte Schwester lebt in einem anderen Heim. Beide halten Kontakt. „Ich war daheim die jüngste“, sagt sie. Seit 2007 lebt sie in Welper – und hat im Emmy-Kruppke-Seniorenzentrum den Spaß am Malen entdeckt.
Für Renate Katzmarzik (82) ist die Zeit zwischen den Feiertagen auch immer mit Wehmut verbunden: Vor vier Jahren starb an Heiligabend ihr Mann an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Danach ging es der dreifachen Mutter und zweifachen Großmutter schlecht.
Der Tod ihres Mannes machte Renate Katzmarzik psychisch krank
„Mir fielen die Haare aus, ich hatte Schmerzen. Ich lief zu Ärzten.“ Wirklich helfen konnte ihr keiner. Sie entschied sich im Februar für den Umzug ins Seniorenzentrum, das sie kannte, weil sie hier jahrelang als Raumpflegerin gearbeitet hatte. Bei der Feier im Café mit Bowle an Silvester ist sie dabei. „Ich mache hier fast alles mit. Ich bin hier gesund geworden.“
Anneliese Krunke (95) kommt zwischen den Jahren vor lauter Besuch kaum zum Nachdenken. „Ich habe einen Sohn, eine tolle Familie, die holen mich auch immer zu allen Festen“, schwärmt sie. Seit drei Jahren lebt sie in dem Zentrum, sang früher im Chor.
Mit Gottes Hilfe hat Anneliese Krunke alles geschafft
Manchmal aber, da rollen Tränen, wenn sie sich erinnert, dass sie ein Baby verloren hat. „Kindbettfieber“, sagt sie. Ihr erster Mann starb mit 49 Jahren, ihr zweiter mit 65 Jahren. „Ich bin schon sehr lange allein. Aber mit Gottes Hilfe habe ich das alles geschafft.“
1959 ist Sigrid Mavec (78) „aus Ostdeutschland abgehauen“. Lehrerin hatte sie werden wollen, ihr Freund damals war in den Westen gegangen. Sie hatte Kontaktverbot, erhielt aber Briefe – und die wurden vor 300 Studierenden vorgelesen. Da war für sie die Entscheidung gefallen. Genau mit Wochentag und vielen Details erinnert sie sich an diese schwere Zeit.
Bei der schweren Arbeit verlor Sigrid Mavec ihr Baby
Bei Demag in Wetter fand sie Arbeit und weil sie einen Facharbeitsbrief Feinblechnerin hatte und einen Tank schneller zusammenschweißen konnte als die Männer im Akkord, stieg sie auf.
„Bei der schweren Arbeit aber blieb ich mit einem Tank hängen, verlor im fünften Monat mein Baby“, sagt sie. Danach arbeitete sie in einem Haushalt in Witten – wo wenige Tage später ein Baby die Familie vergrößerte. „Weil die Eltern arbeiteten, habe ich mich um deren zwei Söhne gekümmert.“ Sie nennt sie „meine Jungs“ – und die Stoffkatze von ihren Jungs, die hat sie immer dabei.