Hattingen. . Superhirn Boris Nikolai Konrad stellt sein Buch vor. Im Interview verrät er, warum wir manchmal an einen Ort zurückkehren müssen, um uns zu erinnern.
- Hattingens Superhirn und Gedächtnis-Weltmeister Boris Nikolai Konrad forscht zum Gedächtnis
- In der Stadtbibliothek im reschop Carré stellt er am 17. November sein neues Buch vor
- Im Interview verrät er, wie man sein Gedächtnis trainieren kann und warum es manchmal täuscht
Boris Nikolai Konrad ist Hattingens Superhirn, Gedächtnis-Weltmeister, Neurowissenschaftler und Autor. Beim Abitur am Gymnasium Waldstraße machte er sich sein gutes Erinnerungsvermögen zunutze. Inzwischen forscht der 32-Jährige am Donders Centre for Cognitive Neuroimaging in Nijmegen in den Niederlanden und hat kürzlich sein Buch „Alles nur in meinem Kopf“ veröffentlicht. Das präsentiert er am 17. November in seiner Heimatstadt. Im Interview verrät er, dass auch ein Superhirn etwas vergisst, welche Überraschungen er bei seiner Forschung erlebte und warum das Gedächtnis uns manchmal einen Streich spielt.
Herr Konrad, was erwartet die Zuhörer bei Ihrer Lesung?
Boris Nikolai Konrad: Die Besucher dürfen sich freuen auf eine Wissensshow mit viel Spaß und guter Unterhaltung bei der sie zugleich Amüsantes, Interessantes und Spannendes über ihr Gehirn und ihr Gedächtnis erfahren werden.
In ihrem Buch stellen Sie zum Beispiel die Frage, warum wir uns manchmal nur an etwas erinnern, wenn wir zu dem Ort zurückgehen, wo es uns eingefallen ist. Passiert das denn auch einem Gedächtnisexperten?
Ja, das geht mir auch noch so. Nur muss ich dann nicht die Treppe wieder hochgehen. Ich schließe die Augen und gehe in meiner Vorstellung zurück und stelle mir den Raum vor – das hilft.
Und woran liegt das?
Erinnerungen sind mit räumlichen Informationen verknüpft. Wir verbinden das Erleben mit einem Ort. Und damit unsere Nervenzellen feuern, und wir uns erinnern, brauchen sie den Reiz des verknüpften Ortes.
Wie erforscht man das Gedächtnis?
Als Neurowissenschaftler arbeite ich mit dem Kernspintomograph. Das heißt, wir machen Aufnahmen vom Gehirn – strukturell, also wie es aufgebaut ist, und funktionell, also was passiert, wenn jemand versucht, sich etwas zu merken. Das machen wir vor und nach einem Gedächtnistraining. Wir betreiben dort Grundlagenforschung. Ungewöhnlich ist unser Ansatz, dass wir Menschen untersuchen, die sich viel merken können, nicht wie sonst häufig Menschen, die krank sind.
Gab es Erkenntnisse, die Sie überrascht haben?
Ja, zum Beispiel, dass Gedächtnissport am Aufbau des Gehirns nichts ändert. Es gibt nämlich eine englische Studie mit Taxifahrern, in der nachgewiesen wurde, dass der Bereich für das Merken von Karten bei den Taxifahrern wächst.
Wie lange merken Sie sich eigentlich Kartenfolgen oder ähnliches, die Sie für einen Wettbewerb oder eine Show gelernt haben?
In einem Jahr wüsste ich die nicht mehr, es sei denn, ich will es. Dann würde ich die Daten wiederholen – erst recht schnell aufeinander folgend, dann in größeren Abständen. Sonst habe ich in einer Woche Anfänge vergessen und nach zwei bis drei Wochen würde es richtig schwierig. Aber übermorgen wüsste ich das schon noch.
Hat das Gehirn denn ein Aufnahme-Limit?
So etwas nach dem Motto eine Information rein, eine andere raus, gibt es nicht. Das Gehirn organisiert sich selbst neu und um. Es gibt aber keine Kapazitätsgrenze wie bei einem Regal, das irgendwann voll ist. Aber das Gehirn konstruiert Erinnerungen und ergänzt sie.
Also kann es sein, dass ich mich an Dinge erinnere, die nie passiert sind?
Das Gehirn kann Erinnerungen schaffen. Zeugen zum Beispiel sind gewöhnlich ein gutes Mittel, aber nicht exakt. Es kann sein, dass ein Zeuge erst unsicher ist, eine Geschichte und die später so oft erzählt hat, dass er sich sicher ist, dass es so gewesen ist.