Hattingen. Die meisten Kunden, die bei Thiele ihr Backwerk kaufen, kennt die Seniorchefin bestens. Geredet wird über Kinder, Kuchenwünsche – und das Geschäft.
- Familienunternehmen existiert seit 1960 in Winz-Baak
- Platten mit belegten Brötchen für Firmen in der Region sind wichtige Einnahmequelle
- INzwischen öffnet Thiele nur noch vormittags
„Na, wie war Ihr Wochenende“, fragt Ingrid Thiele (67) die Kundin an der Theke. Und Marlies Santner erzählt der Seniorchefin der Bäckerei und Konditorei Thiele zwischen Brötchenbestellung und dem Griff zur Zeitung vom Ausflug mit der Tochter. Man kennt einander, die 72-Jährige ist Stammkundin an der Dahlhauser Straße 62, plaudert mit Ingrid Thiele oft „über die Kinder und Enkelkinder“. Und ordert heute – außer der Reihe – noch zwei Pizzastücke, ist ja schon kurz vor elf. Es folgt ein freundliches „Auf Wiedersehen“, dann herrscht etliche Minuten lang erst mal wieder Ruhe in der Bäckerei Thiele: Kein Kunde, nirgends.
Ingrid Thiele nutzt die Verkaufspause, um zwei Dutzend halbe Brötchen zu buttern, mit Salat und Fleischwurst, Salami, Schinken oder Gouda zu belegen und zum Abschluss mit etwas Gurke, Ei und Petersilie aufzuhübschen – „eine große Maschinenfabrik in der Nähe“, sagt sie, habe den Imbiss geordert. Für Geschäftskunden.
Platten mit belegten Brötchen für Firmen in der Region sind in den letzten Jahren eine wichtige Einnahmequelle des seit 1960 in Winz-Baak existierenden Familienunternehmens geworden, verrät Ingrid Thiele. Denn die meisten Menschen kauften Brötchen und Co. heutzutage nicht mehr in einer klassischen Bäckerei, betont sie. „Selbst seit dem Aus von Edeka an der Mozartstraße Ende 2015 haben wir nicht mehr Kunden.“
Ihr Sohn, der 45-jährige Ladenchef Markus Thiele (der gerade urlaubt) habe wegen der sich verändernden Einkaufsgewohnheiten bereits vor zehn Jahren „Pausenflitzer“ auf Tour geschickt, die Backwaren (aber auch Mittagsmahle) zu den Kunden bringen. Aktuell sind acht im Einsatz.
„Morjen“, ruft eine ältere Dame Ingrid Thiele entgegen und beäugt das Kuchenangebot. „Ist nicht das Richtige dabei, Renate“, hakt Ingrid Thiele nach. „Nee, Pflaumenkuchen hätt’ ich gern.“ – „Den haben wir erst ab Freitag.“ Okay, dann kommt Renate eben dann wieder.
Die nächste Kundin naht, Helga Köpke, auch sie kennt Ingrid Thiele bestens, weiß sogar, dass sie zwei künstliche Kniegelenke hat. Doch heute ist der 86-Jährigen nicht nach einem vertrauten Plausch, vielleicht die Tage wieder. Ingrid Thiele nimmt’s, wie’s kommt – Gespräche gibt's zwar gratis, aber sie sind kein Muss. Einer wortkargen Kundin reicht sie trotzdem mit einem Lächeln ein halbes Kornbrot – „Geht’s geschnitten?“ – Klar, bei Thieles immer!“ – über die Theke, packt Nachbar Roman Wiart (33) sodann vier Mohn- und zwei Apfelstreusel-Küchlein ein – immer noch lächelnd.
Fast zwölf zeigt die Ladenuhr inzwischen – bald schließt Thieles Laden für heute. Der Nachmittagsverkauf, erzählt Ingrid Thiele, habe sich nicht mehr gelohnt. „Vielleicht 20 Euro täglich haben wir zuletzt noch eingenommen.“ Jetzt öffnen sie nur noch vormittags: montags bis samstags von sechs bis 13 Uhr.