Hattingen. WAZ-Leser besuchen das Atelier von Stephan Marienfeld. Beim Rundgang verrät der Bildhauer auch die Grundidee all’ seiner Arbeiten: Deformation.
- Sein erster „Dislike“ entstand für eine Ausstellung zum Thema Kunst und Natur
- Die ungewöhnliche Arbeit, die an einen mit einem Seil zusammengeschnürten Ball erinnert, hängte er an einen Baum
- Die Idee für seine „Cans“ entstand, als er einmal eine Coladose zerdrückte
„Balkonien“ hat Stephan Marienfeld (49) sein Atelier betitelt – ein flacher, mehrräumiger Bau an der Paasstraße 31. Hier entstehen des Hattingers weltweit vertriebene Arbeiten; und hier lassen sich fünf WAZ-Leser an diesem Montagmorgen erläutern, welche Ideen hinter seinen „Dislikes“, „Cans“ und Co. heißenden Werken stecken – und wie diese entstehen.
Da wäre etwa ein „Dislike“: Eine mit grell-grünem Lack überzogene Arbeit, die sofort ins Auge springt. Als wolle die Form zwischen dem straff gespannten Seil hervordringen, von dem sie aber gerade daran gehindert wird, wirkt die Skulptur aus Polyester. „Dislike“: Das beschreibt für Marienfeld dabei einen Zustand, der dem Objekt, das in seiner ursprünglichen Form an einen Ball erinnert, nicht zu gefallen scheint – es „disliked“ ihm.
„Woher“, will Klaus Sonnenschein (76) wissen, „holen Sie sich denn solche Ideen?“ Genau, entgegnet der Künstler, wisse er das auch nicht, „vielleicht lauern sie einfach in mir“. Und werden erst konkret beim eigentlichen Schaffensprozess. Allen seinen Arbeiten Marienfelds gemein sei allerdings die Grundidee der Deformation, der Formveränderung. Sein erstes „Dislike“ übrigens sei vor einigen Jahren entstanden, als er einen Betrag für eine Ausstellung zum Thema Kunst und Natur schaffen sollte – und am Ende ein „Dislike“ an einen Baum band. Heute sind Unikate von ähnlicher Form unter anderem im Skulpturenpark des Niederländers Joop van Caldenborgh zu sehen, einem der größten Kunstsammler Europas. Und neuerdings auch am Bügeleisenhaus . . . Was schon so manchen irritierte habe, verrät Marienfeld, aber: „Ich finde, Kunst muss im Weg stehen.“
„Richtig spannend“ findet Sibylle Strnad (66) den Rundgang und Geschichten. Auch Scarlett Neumann (56), eine Bildhauerin, freut sich über die Kunstführung besonderer Art. Und Anni Moch (73) sagt: „Einen Bildhauer mit derartigen Arbeiten habe ich in Hattingen gar nicht vermutet.“ Helga Römer (79) nickt.
„Meinen Dreckraum“ nennt Marienfeld sein Hauptarbeitszimmer: „Hier wird mit Kunststoff, Gips, Bronze und mehr gearbeitet.“ Am Fenster etwa steht eine noch unfertige übermannshohe Skulptur, in der der Hattinger unter anderem einen „Bob-der-Baumeister“-Helm seines Sohnes verarbeitet und alte Plastikflaschen, aber die Dinge sind unter dem mit Folie übergezogen Gebilde nicht mehr zu erkennen, das später mit Glasfaser und Polyester weiter gestaltet wird. Ein paar Meter weiter stehen Objekte, die aussehen wie übergroße Schwämme, zusammengeknotet mit einem farbigen Seil, doch tatsächlich sind sie gefertigt aus Basaltgestein . . .
Und dann gibt es da noch die Guillotine am Atelier-Eingang. Mit dieser zerdellt Stephan Marienfeld zuvor sorgsam glatt geschliffene Edelstahlzylinder – die fertigen Kunstwerke nennt er „Cans“: Dosen. Wie er darauf kam? Als er mal Cola getrunken habe, so Marienfeld lächelnd, habe er die Dose danach unbewusst zerdrückt . . .