Hattingen. Bei der Führung hörten die WAZ-Leser Stadtarchivar Thomas Weiß nicht nur zu, sondern tauschten sich über das Digitalisieren von Dokumenten aus.
- Totschläger, mit denen Nazis und Kommunisten aufeinander losgingen, lagern im Archiv
- Neuer Bürgermeister hat sein Wahlplakat noch nicht abgegeben
- Leserin bietet erfreutem Stadtarchivar Taubenuhr an
„Kann man das hier nicht alles einfach digitalisieren“, möchte WAZ-Leser Klaus Sonnenschein (75) von Stadtarchivar Thomas Weiß bei der Führung durchs Stadtarchiv wissen. Er war einer der Gäste bei „WAZ öffnet Pforten“ und entfachte eine Diskussion über das sinnvolle Archivieren.
„Die Nasa kann die Daten der ersten Mars-Expedition nicht mehr auswerten, weil die Dateien nicht mehr lesbar sind“, weist Weiß auf Digitalisierungsprobleme hin – und auf die Vorteile von originalen Urkunden wie der Weinzapf-Urkunde aus de Jahr 1406. Auf Pergament ist festgehalten, dass nur Hattinger Wein ausschenken dürfen. Das Dokument ist robuster als manche nur 150 Jahre alte fadengeheftete Akte, die sich braun und bröselig zeigt.
Propaganda-Plakate aus der Nazi-Zeit; Stadtakten; Schülerzeitungen und Lokalzeitungsarchiv; Totschlägern, mit denen Nazis und Kommunisten aufeinander losgingen; 110 Umzugskisten mit städtischen Kassenbelegen aus einem Jahr, Landkarten für die Lokalisierung von Bergwerksfeldern – die WAZ-Leser sind beeindruckt, was in 2,5 Regalkilometern an der Rauendahlstraße lagert. Jürgen Zastrow (65) lobt: „Es ist spannend, welche Aufgaben das Archiv hat.“ Sogar auf Lehmann-Wahlplakate der letzten Bürgermeisterwahl stoßen die Gäste. Weiß: „Der neue Bürgermeister hat leider Gottes seine Plakate noch nicht abgegeben.“
Dafür gibt WAZ-Leserin Heide-Rose Bubenzer (71), Tochter des ehemaligen Kreisheimatpflegers Dr. Heinrich Eversberg, etwas ab: Bilder von Erich Kresse. Einigen Motiven begegnet die Gruppe wieder – auf einem Hattingen-Teller in einer Vitrine. Ilse Kampf (91) möchte wissen, ob Weiß Interesse an einer Taubenuhr hat. „Sehr gerne“, freut der sich und verweist auf die Bedeutung von Netzwerken für einen Archivar. „Wenn beispielsweise Schüler Facharbeiten schreiben, wir bei der Recherche helfen, so bekommen wir später die Arbeiten.“ Hilde Hofacker (68) schneiderte einst die Kostüme für den Festumzug zum 600. Stadtgeburtstag 1996, zeigt Weiß Fotos: „Das ist ja auch jüngere Geschichte.“
Der Stadtarchivar streut Anekdoten ein: Die Polizei sei in einem Jahr 400 Mal zu Gast gewesen. „Männer, gebt es direkt zu, ihr werdet sowieso erkannt“, empfiehlt er. Nämlich dann, wenn sie behaupteten, sie seien auf dem Foto nicht der Mann am Steuer des Wagens, der zu schnell unterwegs gewesen war. „Die Polizei kam und glich die Bilder mit denen aus den bei der Stadt beantragten Ausweisen ab“, verrät Weiß und auch: „Frauen waren fast nie zu erkennen.“