Hattingen. Nach der Wahl für den Austritt aus der EU will er sicher gehen. Ehemaliger London-Korrespondent der WAZ erlebte Abstimmung in Großbritannien mit.
Ian Bray ist Engländer, lebt aber seit 1974 in Hattingen. Als klar war, dass seine Landsleute für den Austritt aus der EU gestimmt hatten, ist er „ins Bürgerbüro gegangen, um einen Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft zu stellen. Ich will nicht wie früher jedes Jahr zur Ausländerbehörde rennen“, sagt der 56-jährige Erzieher, der Hattingen als seine Heimat bezeichnet. Und weil er schon länger als 15 Jahre nicht mehr auf der Insel lebt, durfte er dort auch nicht wählen.
Seine Freunde in England seien gegen den Austritt gewesen. Und die Wahlanalyse habe gezeigt, dass „junge Menschen unter 40 meist für den Verbleib in der EU waren“, sagt Bray. Mit einigen ländlich lebenden Verwandten habe er diskutiert, sie hätten aber doch den Austritt gewählt. „Viele sind sauer auf die Institution EU, fühlen sich überrannt von Menschen aus anderen europäischen Staaten.“
Dass die Flüchtlingsfrage eine große Rolle spielt, sieht auch der Ex-London-Korrespondent der WAZ, Ulrich Schilling-Strack (67), so. Die Insulaner würden sich unwohl fühlen angesichts der Zuwanderung, hätten Angst, ihre typische englische Lebensweise zu verlieren. Schilling-Strack wohnt inzwischen in Hattingen, sein Sohn aber seit 1994 in London. Er ist mit einer Engländerin liiert. Menschen aus anderen europäischen Staaten, die schon teils seit Jahrzehnten in England lebten, hätten es bislang nie für nötig gehalten, einen britischen Pass zu beantragen. „Jetzt müssen einige dann vielleicht umdenken“, meint Schilling-Strack, der zum Zeitpunkt der Wahl in London weilte. In London seien „die meisten Menschen gegen den Brexit“ gewesen, weil viele in Firmen mit internationalen Kontakten arbeiteten. Mit dem Ergebnis des Referendums hätte er – anders als Bray – „nie gerechnet“.
Schilling-Strack weiß von zahlreichen Deutschen, die er während seiner Zeit in dem Land kennen gelernt hatte und jetzt bei einem Konzert dort traf, die „völlig fassungslos“ waren. Viele der Stimmberechtigten aber auch. „Das Ergebnis konnte keiner glauben.“
Nach dem ersten Schock würden die Engländer nun jetzt aber eine „gute englische Fähigkeit“ zeigen: „Sie haben gesehen, dass sie echt daneben gepackt haben, jetzt versuchen sie, das gut über die Bühne zu bekommen, weil sie erkennen, dass sie da nun nicht mehr rauskommen.“
Dass die Ein- und Ausreise künftig schwieriger wird, glaubt der Journalist nicht. „Das wird Bestandteil der nun folgenden Verhandlungen sein. Ich hoffe, dass England nicht zu weit weg geht von der EU. Denn England hat der Europäischen Union auch gut getan mit seiner pragmatischen Art und seinen Warnungen.“