Hattingen. . Linken-Spitzenpolitiker Gregor Gysi macht mit beim Ökumenischen Dorfgespräch in Niederwenigern. Er spricht über die DDR, entscheidende Momente in seinem Leben und die Politik von damals und heute.
- Gregor Gysi zu Gast im Dom in Niederwenigern
- Mit 40 Jahren erstmal länger im „Westen“
- Gesundheitliche Rückschläge für den heute 68-Jährigen
Er ist bekennender Atheist. Und nahm die Einladung von Pastor Mirco Quint und Pfarrer Ludwig Nelles in den Dom zu Niederwenigern sofort an. Gregor Gysi, Spitzenpolitiker der Linken, war am Dienstagabend Gast beim Ökumenischen Dorfgespräch. Und er sprach viel. Vor allem über seine Heimat, die DDR. 1948 wurde er im amerikanischen Sektor Berlins geboren, die prägende Kindheit des heute 68-Jährigen begann. Er nahm früh die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland wahr. „Wir sind als Kinder auch nach West-Berlin in Kinos gefahren“, erzählt er. Längere Zeit in den Westen kam er erstmals mit 40 Jahren. Vor 1988 wurden die Anträge immer abgelehnt. „Ich betrat einen Käseladen, in dem es gefühlt 300 Sorten gab. Bei mir daheim kannte ich nur vier“, nennt er ein Beispiel für die unterschiedliche Lebensqualität. Dennoch warnt er: „Die Wessis dürfen den Ossis niemals erklären, wie man damals in Ostdeutschland gelebt hat. Das können wir nicht ab.“
Im Dom zeigte sich Gysi locker und lebensfroh. Reden gehört ohnehin zu seinen Vorlieben. „Im Bundestag bekam ich zum 65. Geburtstag eine goldene Uhr geschenkt, deren Zeiger rückwärts laufen“, verrät er. Seine politische Karriere begann 1967 mit dem Eintritt in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die er 1989 führte, die daraus entstehenden PDS noch drei weitere Jahre. „Der Umgang mit den eigenen Parteifreunden ist am schwierigsten, weil man sie für eine gemeinsame Ansicht überzeugen muss“, verdeutlicht der Politiker. Echte Freunde hätte er im näheren Parteiumfeld nicht gehabt. Durch die vielen Termine vernachlässigte er automatisch Bekannte und Familie, was er heute bedauert. „Politik ist wichtig, aber Liebe und Familie noch wichtiger“, betont Gysi.
Gesundheitliche Rückschläge
Durch die Anspannung im Beruf litt seine Gesundheit. Drei Herzinfarkte, ein Hörsturz und eine Gehirn-OP musste er über sich ergehen lassen. 2005 kehrte er zurück in den Bundestag, woran Parteikollege Oskar Lafontaine großen Anteil hatte. Gysi glaubt, dass Ostdeutschland durch die Wiedervereinigung an Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie gewonnen hat. Als Rechtsanwalt übte er dort einen Nischenberuf aus, Verbindungen zur Staatssicherheit dementierte er unter Eid. Kontakte zur Staatsmacht ergaben sich über politische Wege. Unter anderem zu Michail Sergejewitsch Gorbatschow, Oberhaupt der Sowjets. „Er sagte mir, wenn die SED dicht macht, bedeutet dies das Ende der DDR und der Sowjetunion“, so Gysi.
Am Ende verrät er den über 500 Besuchern im Dom noch einen formalen Fehler bei der Wiedervereinigung: „Im Vertrag wurde zunächst nur festgehalten, dass die DDR-Volkskammer zur BRD beitritt, nicht die DDR selbst. Jetzt haben sie uns aber – und das ist auch gut so.“