Hattingen. . Stefan Weber engagiert sich für die Initiative „Dein Sternenkind“. In Hattingen ist er der einzige registrierte Fotograf, der für Eltern kostenlos ihre verstorbenen Neugeborenen ablichtet.

Als Stefan Weber die Kiste mit den winzigen Mützen und Deckchen vom Schrank holt, muss er kurz schlucken. „Als ich die das erste Mal gesehen habe, hatte ich Tränen in den Augen“, sagt der 40-Jährige. Weber engagiert sich für die Initiative „Dein Sternenkind“. Als einziger Fotograf, der in Hattingen dafür registriert ist, lichtet er ehrenamtlich Neugeborene ab, die tot geboren wurden oder kurz nach der Geburt starben. Vor wenigen Wochen hatte er seinen ersten Einsatz.

„Vorher war ich nicht bereit dazu“

Der Diplom-Ingenieur fotografiert seit seiner Jugend. Häufig hat er Hochzeitspaare vor der Linse – aber erst seit einem Jahr ist er Teil von „Dein Sternenkind“. „Vorher war ich nicht bereit dazu“, sagt der Hattinger. Denn als er von dem Projekt hörte, das Eltern fotografische Erinnerungen an ihre verstorbenen Kinder schenkt, war er selbst gerade Vater geworden. Der Gedanke: „Wie würde es dir gehen, wenn dein Kind gestorben wäre“, war noch zu nah. Inzwischen sind seine Kinder etwas älter. Und vor einem Jahr fiel die Entscheidung: „Da habe ich mir gesagt: Jetzt kannst du es.“

Stefan Webers Foto-Einsätze sind nicht alltäglich.
Stefan Webers Foto-Einsätze sind nicht alltäglich. © Fischer / Funke Foto Services

Dennoch musste der 40-Jährige lange auf seinen ersten Einsatz warten. Denn zum einen müssen die in der Regel sehr kurzfristigen Einsätze mit dem Berufsleben koordiniert werden, zum anderen wissen viele Eltern nichts vom kostenlosen Angebot der Fotografen. Deshalb will Weber helfen, die Arbeit, die er und knapp 460 Kollegen in Deutschland, Österreich und der Schweiz leisten, bekannter zu machen.

Für viele ein Tabuthema

Auf die Frage seiner Frau, warum er tote Kinder fotografieren wolle, antwortete der Hattinger: „Ich fotografiere mit Hochzeiten den schönsten Teil des Lebens. Aber es muss auch Erinnerungen an schlechte Tage geben.“ Er weiß aber auch, dass die Sternenkind-Fotografie für viele ein Tabuthema ist. „Aber ein Urteil über die Eltern steht anderen nicht zu“, betont Weber.

Vor wenigen Wochen nun wurde es für ihn ernst. Eine Hebamme rief an: Ein Baby war, nur wenige Stunden nachdem es gesund auf die Welt kam, plötzlich gestorben. Erst eine Woche nach dem Tod des Kindes traf Stefan Weber im Bestattungsinstitut auf die Eltern und das kleine Mädchen – ungewöhnlich spät, denn in der Regel entstehen die Bilder noch im Krankenhaus innerhalb weniger Stunden.

Bedenken vor dem ersten Einsatz

„Ich hatte ein bisschen Schiss“, gesteht Weber. „Stell dir vor, du kommst da rein und brichst in Tränen aus.“ Doch alles ging gut – auch dank der starken Eltern. „Die Mutter war sehr gefasst und direkt fröhlich, ihr Baby noch einmal sehen zu dürfen und Fotos zu bekommen“, erinnert sich der Fotograf. Außerdem war das kleine Mädchen, das er fotografieren durfte, „fertig“, wie Weber sagt. Eine besondere Herausforderung der Sternenkind-Fotografie ist es, nicht fertig entwickelte Kinder zu fotografieren, weiß er.

Auch dafür hat er den Karton mit winzigen Mützen und kleinen Decken in die Kinder, zum Teil kaum größer als eine Handfläche, eingewickelt werden können – alles genäht von ehrenamtlichen Helferinnen. Wieder schluckt Weber. „Man fühlt sich fast schuldig, dass man zwei gesunde Kinder hat“, sagt er und stellt fest. „Nach so einem Auftrag wird alles relativ. Die Probleme vom Vortrag sind plötzlich völlig unwichtig.“ Aber er will Eltern dabei helfen, die Situation so erträglich zu machen wie möglich. „Das Schöne im Schlechten“ zeigen macht er sich zur Aufgabe. Auch als Zeichen: „Es gibt noch Gutes in der Welt.“