Hattingen. . Das Rathaus wurde in Rekordzeit gebaut – nachdem der Streit über den Standort beigelegt war.In den vergangen 105 Jahren hat es innen und außen sein Gesicht verändert

Alle Blicke richten sich an diesem Wochenende wieder auf das Rathaus. Seit 105 Jahren bestimmen die Stadtverordneten hier die Geschicke der Stadt und am Sonntag wird gewählt, wer demnächst in das Bürgermeisterbüro einziehen darf. Gebaut wurde das Rathaus einst inmitten von Schrebergärten – und das in Rekordzeit. Nach Schäden im Zweiten Weltkrieg änderte es sein Gesicht äußerlich, Jahre später auch im Inneren. Wichtige Menschen gingen hier ein und aus – und einmal sogar eine Miss Universum.

Dass das Rathaus heute steht, wo es steht, ist die Folge langer Diskussionen. Zwei Standorte waren, nachdem das Alte Rathaus zu klein wurde, in der Auswahl für den neuen Bau – an der Bahnhofstraße und auf dem Pastorskamp (heute Roonstraße). Mit neun zu sieben Stimmen entschied man sich 1908 für den Bereich in Richtung Welper. Denn dorthin würde die Stadt wachsen, so die Annahme. Eine Protestbewegung verlief im Sande und so wurde, wo Kleingärtner ihre Beete bewirtschafteten am 21.Juli 1909 der Grundstein für das von Stadtbaumeister Christoph Epping entworfene Rathaus gelegt – die geladenen Herren hatten übrigens einen schwarzen Anzug mit Zylinder und farbigen Handschuhen zu tragen. Schon am 10. Dezember 1910, einem lauen, sonnigen Tag, konnte die Eröffnung gefeiert werden.

Erker im Krieg zerstört

Seitdem haben die Mauern aus Soester Grünstein, Pfälzer Sandstein und Ruhrsandstein viel gesehen. Bei Bombenangriffen 1945 wurde das Rathaus beschädigt – so auch der Erker an der Seite des Bürgermeisterbalkons. Aufgrund der hohen Wiederherstellungskosten wurde er schlicht entfernt. Weil der Sitzungssaal nicht erneuert werden konnte, solange die Fassadenarbeiten nicht abgeschlossen waren, fanden Ratssitzungen im Keller statt. „Im Ratskeller steht ein Tresen, dahinter Wirt und Wirtin und die Sitzung beginnt, wenn der letzte Zuhörer gerade den Schaum vom Mund gewischt hat. Ich finde, dass die Würde des Parlaments nicht gerade erhöht wird“, zitiert die Zeitung 1949 einen Bürger.

Inzwischen hat sich der Ratskeller verwandelt. Seit den 1970er Jahren bis heute beherbergt er die städtische Druckerei. In den 1960er Jahren aber wurde mehr Platz gebraucht. „Es waren durch das Bundessozialhilfegesetz mehr Stellen nötig und es wurden Notarbeitsplätze bereitgestellt“, weiß Hermann Reiser, der mehr als 40 Jahre im Rathaus arbeitete – bis vor zwei Jahren als Chef des Hauptamtes.

In der ehemaligen Gastwirtschaft wurden also Trennwände eingezogen. „Im Flur stand noch die Kühltheke. Die ist erst später verkauft worden, da soll das letzte Bierfass noch an der Zapfanlage gehangen haben“, erzählt Reiser lachend.

Unter anderem kam hier das Steueramt unter – mit Amtsleiter, zwei Sachbearbeitern, einer Schreibkraft und dem Auszubildenden. Das war Reiser. „Damals habe ich die Lohnsteuerkarten ausgegeben“, erinnert sich der Pensionär. Und da spazierte dem staunenden Azubi in seiner ersten Ausbildungsstation Marlene Schmidt, Miss Universum von 1961, vor den Schreibtisch. Auch Missen brauchen eine Lohnsteuerkarte. „Ich habe den Stuhl auf dem sie saß damals markiert“, lacht Reiser heute: „aber ich habe ihn nicht wiedergefunden.“