Hattingen. Nach den Reden äußern sich Bürger im Interview zu Themen wie Firmenschließung und Altersarmut.

„Ach ja, Moorsoldaten, das Lied liebe ich seit meiner Kindheit. Für meine Kinder habe ich es später mal umgedichtet in Butterbrotpiraten“, verrät lachend Heike Kegendorf (52), die barfüßig im Mittelaltergewand Wolle spinnt. An ihr kommt niemand vorbei, der vom Obermarkt auf den Untermarkt strebt – zur Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai.

Bei der es nicht nur mit Steigerlied und Co. musikalisch, sondern auch traditionell mit Reden kämpferisch zugeht. IG-Metaller Karl-Ferdi Lange kritisiert in Reimen auch die Verlegung der Veranstaltung vom Krämersdorf auf den Untermarkt. Stefanie Baranski-Müller, DGB-Landesverband NRW, tritt ein für Mindestlohn, Lohn- wie soziale Gerechtigkeit. Hans-Georg Harms, DGB-Maikreis-Sprecher, ruft auf zur Unterschrift gegen das Freihandelsabkommen. Margret Krützner (78) – Schal und Mütze sind rot – applaudiert. Sie kommt jedes Jahr zur Kundgebung. „Das habe ich schon als Kind mit Eltern, Großeltern, Tanten gemacht.“ Auf einem Stehtisch prangt eine Flasche Karl-Marx-Sekt. Ungeöffnet. Bürgermeisterin Dagmar Goch ärgert sich über die „Geheimverhandlungen zu TTIP“, während Robin (8) durch die vom Knappenverein Bochum-Linden-Dahlhausen aufgebaute Wetterlutte krabbelt. Harms, auf dessen T-Shirt der Spruch „und zack wieder unbeliebt gemacht“ steht, weist aufs Maitag-Motto „Die Zukunft der Arbeit gestalten wir“ hin. Altersarmut war nach den Reden ein Thema beim Gespräch mit Hattingern. Harms interviewte Otto Zimmermann (56), der 24 Jahre bei der Albert Greifenberg GmbH & Co. KG beschäftigt war – bis zur Insolvenz der Firma. „Wir hatten leider keinen Betriebsrat. Heute sind wir schlauer“, sagt er. „Wenn es bei Euch keinen Betriebsrat gibt, seht zu, dass einer gebildet wird. Ohne Betriebsrat gibt’s keinen Sozialplan. Der hätte vielleicht noch ein Trostpflaster herausgeholt“, warb Harms. 250 Teilnehmer seien gekommen, schätzt er: „Die Verlegung auf den Untermarkt hat zum Glück keine Einbußen gebracht.“