Hattingen. . Harri Petras blickte beim Vortrag im Kick Jahrhunderte zurück und zeichnete die Entstehung von Friedhöfen in der Stadt und die Veränderungen der Friedhofskultur mit vielen Geschichten nach.
Gegen Ende seines Vortrages über die Entwicklung der Friedhöfe in Hattingen und die Friedhofskultur im Wandel der Zeit landete Harri Petras bei Autos und der Mobilität der Menschen. Nicht, weil bei Unfällen Verkehrsteilnehmer sterben. Sondern weil sich die Friedhofskultur verändert, Tote heute auch in Kolumbarien bestattet werden, wenn Angehörige sich wegbewegen und Gräber nicht mehr pflegen können.
Inge Berger vom Kick war „sehr freudig überrascht, dass dieses schwarze Thema so viele Besucher anzieht“. Keine Überraschung war wohl, dass jüngere Semester fehlten. In Afrika habe man die Toten „wahrscheinlich liegen lassen“, vermutet Petras. Christen beerdigten sie auf Friedhöfen wie dem Kirchplatz, wo alles begann. „Der ganze Kirchplatz war Friedhof“, so Petras. Weshalb früher von Kirchhöfen die Rede war. Von 1634 über die Jahrhunderte hinweg lotste der Vortrag die Zuhörer bis in die heutige Zeit.
Nicht nur von Gräbern war die Rede, sondern auch davon, warum wann wie beerdigt wurde. Was auch in heutiger Zeit fehlt sind Fotos. Auf Friedhöfen fotografiere man nicht. Deshalb kommt der Referent oft nur über Zeitungsberichte an Aufnahmen. Oder über private Fotoalben, wo die Familie das Baby im Kinderwagen vorne interessiert, ihn aber beispielsweise ein Gebäude im Hintergrund.
Eisenstangen gegen Tiere
Viel Hintergrund zu Details bekam das Publikum geliefert. Etwa über die Eisenstangen an den fünf Treppenaufgängen zum Kirchplatz, die Tiere vom Friedhof abhalten sollten. Die Totenglocke auf einer Aufnahme am Anfang wurde später wieder aufgegriffen, als es darum ging, dass Leute sich beschwerten, wenn sie jeweils 15 Minuten hintereinander für mehrere Tote läutete. 1790 wurde der Hattinger Rat aufgefordert, wegen Seuchen andere Friedhöfe zu schaffen.
Die Zuhörerinnen und Zuhörer erfuhren von Abdeckern, die gleichzeitig Henker waren, welchen Weg die Emsche langfloss, dass bei Baggerarbeiten für die S-Bahn ein Zinksarg gefunden und beseitigt wurde, weil der Baggerführer schnell vorankommen wollte. Es gab Geschichten über Friedhofshecken, auf denen Wäsche getrocknet wurde, Friedhöfe für jüdische Bürger, warum Evangelen und Katholen sich zerstritten, über die Entstehung kommunaler Einrichtungen, die entstanden, weil auch nicht-katholische oder -evangelische Tote bestattet sein wollten, und über sterbenden Ulmen, die erst Friedhöfe säumten und später abstarben.