Hattingen. Menschen richten zunehmend Schaden in der Natur an und verscheuchen scheue Tiere. Was Gassigeher, Geocacher oder Walker im Wald beachten sollten.

„Hier leben doch gar keine Rehe mehr“, hörte Lennart Nüfer kürzlich von einem Waldnutzer. Der ehrenamtliche Vorsitzende der Bezirksgruppe Ennepe-Ruhr/Hagen-Dortmund des Waldbauernverbandes NRW stellt fest, dass sich in den letzten Jahren die Nutzung des Waldes verändert und das Wissen über die Natur abgenommen hat. „Viele wissen nicht um die Schäden, die sie in der Natur anrichten – und was im Wald erlaubt ist und was nicht“, ist der staatlich geprüfte Techniker für Gartenbau überzeugt, dem selbst 34 Hektar Wald gehören.

Ein großes Problem, so Nüfer, seien die Anhänger des Geocaching. „Früher blieben die Menschen auf den Wegen, schon um sich nicht zu verlaufen. Heute gehen sie GPS-gesteuert kreuz und quer durch die Natur, Trampelpfade entstehen.“ Das Problem dabei: Immer wieder werden Rehe beim Äsen auf Wiesen aufgescheucht. „Werden sie dauernd gestört, ziehen sie sich in Dickungen zurück, das ist dort, wo der Wald sich entwickelt, fressen da u.a. junge Buchen.“ Das schädigt den Wald. In drei Jahren sei ein Cache in einer Dickung im Bezirk 1200 Mal angelaufen worden. „Da muss man sich nicht wundern, wenn Schleiereulen sich andere Orte suchen.“

Wälder werden zunehmend nachts genutzt

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Vor 20 Jahren, weiß Förster Thomas Jansen von Wald und Holz NRW, zuständig für Hattingen, sei der Wald nachts nicht genutzt worden. „Heute hat keiner tagsüber Zeit, nutzt dann Stirnlampen und geht nachts los. Die gegenseitige Rücksichtnahme und das Verständnis für die Bewirtschaftung sind oft nicht sehr ausgeprägt. Und es wird schlimmer.“ Nüfer weiß von Nacht-Geocaching mit phosphoreszierenden Stecknadeln, die in Bäume gesteckt werden. „Das ist Sachbeschädigung“, sagt er. Und die Caches seien meist Plastikdosen, die später einfach als Müll zurückgelassen würden. Dass viele ihren Müll achtlos wegschmeißen, stellt auch WAZ-Leserbeirat Albert Hille fest: „Ich jogge im Wald in Welper, da ist kein Meter, auf dem nicht Müll liegt.“

Nüfer berichtet auch von Schäden durch Räder: „Wir müssen die Flächen gegen Erosion bewirtschaften – aber wenn Mountain-Biker eine Rille fahren, reicht ein Sommerregen, und der Berg liegt unten“, so Nüfer, der um Verständnis und Verhaltensveränderung wirbt.

Stefan Befeld, Sprecher von Wald und Holz NRW, sieht auch ein Problem, wenn im Winter Tiere, die „ihren Stoffwechsel aufgrund des niedrigen Nahrungsangebots herunterfahren“, immer wieder von Menschen gestört würden. Vielen Waldbesuchern sei nicht bewusst, dass sie zumeist in privaten Wäldern unterwegs seien.

Hundekot kann Heu vergiften 

Weiteres Problem laut Jansen: zunehmende „gewerbliche Hundeausführer, die mit zehn Hunden durch den Wald“ liefen. Frei laufende Hunde, selbst wenn sie „nur 20 Meter vom Weg abweichen“, so Nüfer, würden Wild von links nach rechts scheuchen, ihr Geschäft auf Wiesen, die gemäht werden sollen, erledigen. „Da kann ich kein Heu mehr machen, wird Kot mit gepresst, an Tiere verfüttert, können die an Keimen eingehen.“ Früher seien Familien tagsüber am Wochenende gekommen, dank Stirnlampe und Co. nun aber jederzeit unterwegs.

Auch Nordic Walker richteten Schäden an: Mit Metallspitzen der Stäbe pieksen sie Buchenwurzeln an. In den Löchern gedeihen Pilze – die den Baum nach Jahren eingehen lassen können. „Massive Wurzelschäden“ dadurch sind ihm nicht bekannt. Waldbauern können bei Zuwiderhandlung das Ordnungsamt rufen, aber „bis Mitarbeiter hier sind, ist der Biker weg“, so Nüfer. Er wünscht sich, dass Menschen mehr Natur erleben statt in der Natur etwas erleben wollen.

Betreten ja, Stören nein

Lennart Nüfer ärgert sich, Waldbauern werde immer mehr aufgebürdet, die Wirtschaftlichkeit eingeschränkt. Mehr Flächen würden stillgelegt. „Dafür, dass Privatleute Wege auf ihren Waldflächen zulassen, war in den 1970er Jahren versprochen worden, dass die Beförsterung subventioniert wird, anteilig Weginstandhaltung bezahlt wird, der Staat sich an der höheren Waldbrandversicherung beteiligt“, so Nüfer.

Stefan Befeld von Wald und Holz NRW gibt an, trotz neuer Entgeltordnung würde die Beförsterung mit 75 Prozent gefördert. Waldbauern erhielten Beratungs- und andere Hilfen. Die Förderung der Waldbrandversicherung sei vor zehn Jahren eingestellt worden – wegen seltener Inanspruchnahme. Flächenstilllegung habe für privaten Waldbesitz empfehlenden Charakter.

Nüfer kritisiert, dass am Biodiversitätsstrategie-Entwurf Naturschutzverbände, nicht aber Waldbauern beteiligt worden seien. Er holt aus seinem Wald alle drei, vier Jahre „ein Auto, also etwa 20 Kubik, Holz raus. Nicht mehr.“

Der Waldbauernverband NRW kritisiert den Entwurf der Biodiversitätsstrategie für NRW. Mit ihr werde eine „Artenschutzstrategie verfolgt, wie sie bundesweit vor 20 Jahren gescheitert ist“, heißt es.

Wald nicht gefährden oder beschädigen

Im Landesforstgesetz § 2 steht: „Wer den Wald betritt, hat sich so zu verhalten, dass die Lebensgemeinschaft Wald und die Bewirtschaftung des Waldes nicht gestört, der Wald nicht gefährdet, beschädigt wird“.

In Hattingen sind laut Revierförster Thomas Jansen von 2000 Hektar Wald 1000 in Privatbesitz, 170 Hektar gehören der Stadt.