Auf dem Platz vorm Alten Rathaus verfolgen Kinder und Erwachsene erwartungsfrohden Auftritt der lebendig gewordenen Märchenfigur. Der hat Tradition.

Auf dem Platz vor dem Alten Rathaus stehen die Menschen dicht an dicht, die Blicke von Kindern wie Erwachsenen sind erwartungsfroh auf die noch geschlossenen Fenster gerichtet. Denn gleich um fünf Uhr soll aus einer der Scheiben Frau Holle herausschauen, soll sodann traditionell das erste Türchen des Alten-Rathaus-Kalenders öffnen. Und es sogar schneien lassen. Wie stets in Hattingen am 1. Dezember.

„Wo bleibt Frau Holle bloß?“, ruft eine Frau schon ganz ungeduldig, da ist es noch nicht einmal zehn vor fünf. Genug Zeit also noch für ein neuerliches Musikstück der Peter-Weisheit-Band. „Lustig, lustig, tra-la-la-la-la, ba-hald i-hist Frau Hol-le da . . .“, singt die Dixie-Crew aus Haan. Kleinkinder wippen auf den Schultern ihrer Eltern im Takt, da plötzlich öffnet sich ein Fenster – die Spannung steigt. Doch heraus – schaut leider nur ein Fotograf.

Sie lässt es Federschnee schneien

Eine Minute ist es nun noch bis fünf, die Aufregung steigt weiter. „Frau Holle!“ rufen kreischende Kinderstimmen. Und ein Papa ruft: „Showtime!“ Und: „Party!“ Da, endlich, erscheint die märchenhafte alte Frau in ihrem weißen Gewand und neben ihr zwei Engelchen mit goldenen Heiligenscheinchen. O-hhhh“, entfährt es der Menge, Handykameras klicken über Köpfen, und die Augen der zahlreichen Kinder glänzen nun noch mehr. Ihnen, den „lieben Menschenkindern, meinen Schätzelein, meinen Engelein“, verrät Frau Holle, dass sie sich, als sie ihr Zuhause in den Wolken verließ, nicht sicher gewesen sei, ob sie in diesem Jahr den Weg nach Hattingen finden werde. „Aber dann war da ein Glanz und ein Glitzern. Und da wusste ich: Hier ist es.“

Nicht für jeden bestens zu verstehen sind dabei Frau Holles Worte, der „Engel der Technik“ hat ihr himmlisches Mikrofon mit zu wenig Power für die etwas weiter vom Alten Rathaus entfernt Stehenden versorgt. Das Singen von Weihnachtslied-Klassikern, zu denen die lebendig gewordene Märchenfigur animiert, funktioniert dennoch trefflich. Und dann, um kurz nach fünf, enthüllt sie endlich das erste Adventskalender-Bild: Es zeigt einen Jungen namens Leo, der ganz allein in einer belebten Straße sitzt und die Menschenmenge beobachtet. Ehe er im Schneegestöber nach Hause geht.

Wo sein Zuhause ist? „Das“, sagt Frau Holle und lässt Goldtaler und Federschnee aus ihrem Kissen herabregnen, „werde ich Euch, meine lieben Kinder, meine Schätzelein, meine Engelchen, morgen erzählen.“ Und winkt noch einmal, ehe sie wieder hinter der Fensterscheibe verschwindet.