16 Damen und Herren, die Ostern des Jahres 1948 als i-Dötzchen ihren ersten Tag an der damaligen evangelischen Johannesschule in Gladbeck erlebten, besuchten die frühere Stätte ihres Lernens. Heute heißt ihre frühere Lehranstalt „Regenbogenschule“. Und nicht nur der Name hat sich geändert.

So eine Klasse wie am gestrigen Morgen hat Martina Braun auch nicht alle Tage vor sich sitzen! 16 Augenpaare verfolgen aufmerksam, was die Leiterin der Regenbogenschule zu sagen und zu zeigen hat. Sie lassen die Blicke schweifen – und sie lassen sich bisweilen auch zu Zwischenrufen hinreißen. Ohne aufzuzeigen! Das wäre wohl ein Unding gewesen zu jener Zeit, als diese Besucher „echte“ Schulkinder waren – damals. 16 Damen und Herren statten dem Ort eine Visite ab, an dem sie Ostern 1948 ihren großen Tag als i-Dötzchen erlebten. Mit Schultüte? „Ich kann mich nicht erinnern“, sagt Horst Dohm bedauernd. Er ist einer von jenen, die sich jetzt, nach 66 Jahren, wiedersehen. Und die nicht schlecht staunen, als sie die Veränderungen im Schulalltag entdecken. Die evangelische Johannesschule haben die Gladbecker seinerzeit verlassen – die moderne Regenbogenschule betreten sie anno 2014.

„Menschen aus der Kreidezeit“

Platz nehmen die Damen und Herren auf farbigen Stühlchen – tintenblau, signalrot, grasgrün und sonnengelb: wahrlich kein Vergleich zum hölzernen Mobiliar, das der Einschulungsjahrgang 1948 nutzte. Und von Blättern, Eichhörnchen und Igel, bildschöner Schmuck, an den Fenstern konnte auch keine Rede sein. Geschweige denn von Farbe, Bildern und Spielzeug im Klassenzimmer. Auch wenn Martina Braun erklärt, dass dieser Raum, in dem sie die Besucher mit Kaffee und Keksen empfängt, für den offenen Ganztag der Grundschule bestimmt sei. Den gab’s seinerzeit erst recht nicht.

Per Beamer stellt die Schulleiterin den Gästen, die sich selbst scherzhaft als Menschen aus der „Kreidezeit“ bezeichnen, das vielfältige Angebot der Schule vor. Dazu zählt unter anderem die Hausaufgabenbetreuung. „Der Junge darf mit links schreiben, das durften wir damals nicht“, kommentiert einer der Herren ein Foto. „Hier wird auch gegessen“, berichtet Martina Braun. „Deswegen haben alle einen dicken Bauch“, wirft ein Gast in den Raum. Und eine ehemalige Mitschülerin stimmt ihm zu: „Die sind alle ganz schön mollig, die Kinder!“

„Ein Griffel, die Reichen hatten zwei“

Horst Dohm, der mit Ulrich Wiethölter das Treffen organisiert hat, denkt zurück – „wir hatten eine Schulspeisung“. Was es damals gab, hat er nicht mehr im Gedächtnis. Eines hat er indes nicht vergessen: „Das war schon eine harte Zeit.“ Genau hat er jedoch noch im Kopf, was anfangs die notwendigen Schulutensilien waren: „Ein Griffel – die Reichen hatten zwei – und eine Schiefertafel.“ Zum Saubermachen gab’s ein Schwämmchen oder einen Topflappen. Viele Erinnerungen werden wach an diesem Vormittag: Wie es war in der evangelischen Johannesschule vor 66 Jahren . . .

„Eine Herausforderung“ 

Sie konnten es kaum fassen, dass sie es geschafft haben: ein Treffen des Einschulungsjahrgangs 1948 der evangelischen Johannesschule. Ulrich Wiethölter und Horst Dohm hatten die Idee und den Ehrgeiz, dieses Wiedersehen entgegen vieler Widerstände zu organisieren. Schwierig war es, die ehemaligen Klassenkameraden ausfindig zu machen: Sie waren in alle Winde verstreut, hatten ihren Namen geändert, waren nicht auffindbar. Dohm: „Das war schon eine Herausforderung.“

Unterstützung von der WAZ Gladbeck

Wiethölter wandte sich hilfesuchend an die WAZ-Lokalredaktion Gladbeck, die die Herren bei ihrer Suche unterstützte. „Die Zeitungsberichte haben die Leute so motiviert, dass sie mitmachen wollten“, freut sich Wiethölter. So fanden sich denn 16 einstige i-Dötzchen am Mittwochabend zur gemütlichen Runde ein. Hier tauschten sie Erinnerungen aus und waren bisweilen auch verblüfft, wie sich die einst so vertrauten Menschen im Laufe der Zeit gewandelt haben. Immerhin lag das letzte Treffen 41 Jahre zurück.

Christa Sedlatzeck, geb. Todt, lebte im Jahr 1948 an der Lindenstraße und heute in Recklinghausen. „Ich habe die meisten wiedererkannt“, sagt sie. Dohm erging’s da anders: „Ich kannte kaum noch jemanden.“ Doch die einstige Lehranstalt, die war wohl bei keinem in Vergessenheit geraten. Im Turm, da hatten die Mädchen Handarbeitsunterricht. Und was ist eigentlich aus dem Brunnen geworden? Wiethölter freute sich, dass Schulleiterin Martina Braun die Gäste gestern mit Informationen versorgte: „Der Unterricht ist heute besser.“