Gladbeck. . Das Martin Luther Forum Ruhr in Gladbeck zeigt bis zum 5. Oktober die Wanderausstellung „Leben nach Luther - Eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses“. Präsentiert wird die Bedeutung und Entwicklung des einstigen Gemeindezentrums. Die Schau wurde um den regionalen Bezug erweitert.
Was verbindet Kanzlerin Angela Merkel und den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre? Auf den ersten Blick haben sie nichts gemein. Und doch: Sie stammen beide aus einem evangelischen Pfarrhaushalt. Wie so viele andere namhafte Persönlichkeiten. „Ist etwas dran an dem Mythos des evangelischen Pfarrhauses als Brutstätte außergewöhnlicher Menschen?“ Diese Frage gab Professorin Rosmarie Beier-de Haan den Besuchern der Wanderausstellung „Leben nach Luther – eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses“ mit auf den Weg, die als erste die Schau auf Gladbecker Boden sahen. Ein paar Schritte entfernt von der offiziellen Eröffnung im Foyer des Martin Luther Forums tauchten die Gäste ein in eine Welt, die in vielen Köpfen mit positiven Stereotypen verknüpft ist: das evangelische Pfarrhaus als Hort der Gottesfurcht, Gelehrsamkeit und Hilfsbereitschaft.
Moderne Lebensentwürfe
Heiter-gelassen stimmte Pianist Mario Tobies die Besucher mit einer Scarlatti-Sonate und einer freien Improvisation auf das Thema ein. Wie idyllisch das evangelische Pfarrhaus in den Anfängen gewesen sein mag, vermitteln Info-Tafeln und Fotos, Video- und Audiostation sowie Exponate aus Kunst und Alltag im Pfarrhaushalt: Die Türen des Geistlichen stehen den Gemeindemitgliedern zu jeder Tages- und Nachtzeit offen. Mehr noch, so Rosmarie Beier-de-Haan: „Frau und Kinder standen stets im Dienste der Gemeinschaft.“ „Pfarrers“ als Vorbild für Strenge, Disziplin und Frömmigkeit. Doch diese Zeiten wandelten sich – von dieser Entwicklung bis heute erzählt die Ausstellung.
Bedingungen der Neuzeit
Pfarrer Achim Solty, Synodalassessor des Evangelischen Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten wusste aus eigener Erfahrung zu berichten, wie er ein evangelisches Pfarrhaus als Jugendlicher erlebt hat; und wie es später war, als ein „neuer Geist ins Pfarr- und Gemeindehaus einzog“. In der Moderne „trennen sich Gemeinden von Pfarrhäusern“, sagte Beier-de-Haan. Kleiner werdende Familien, Single-Pfarrer, der Wunsch nach mehr Privatsphäre – das sind die Bedingungen der Neuzeit.
Unterschiedliche Lebensentwürfe
Unterschiedliche Lebensentwürfe spielen ebenso eine Rolle in der Präsentation wie das Verhältnis zu Politik und historischen Entwicklungen. „Besonderes Augenmerk“ habe man auf die „regionale Ausweitung des Themas“ gelegt, betonte Doris Vogeler vom MLF. So wird der Situation im Ruhrgebiet Platz eingeräumt. Gladbecker finden vertraute Gesichter wie Schalke-Fan Pfarrer Uwe Lorenz. Eine Geistliche berichtet vom Familienleben mit ihrer Lebensgefährtin. All dies hätte Martin Luther sich wohl kaum vorstellen können . . .
Material und Führungen
Bei der „Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses“ handelt es sich um eine Wanderausstellung des Deutschen Historischen Museums in Kooperation mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Internationalen Martin Luther Stiftung. Gefördert wurde das Projekt durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Schau basiert auf der gleichnamigen ersten umfangreichen Sonderausstellung zur Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses, die vom 25. Oktober 2013 bis zum 2. März 2014 im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen war.
„Mehr als 30 Orte werden die Ausstellung in den nächsten Jahren zeigen“, so Professorin Rosmarie Beier-de Haan vom Deutschen Historischen Museum in Berlin. Von Gladbeck aus geht’s nach Freiberg, danach unter anderem nach Wittenberg, Halle an der Saale, Bielefeld und Zürich.
Die Ausstellung läuft bis zum 5. Oktober. Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, So 14 bis 17 Uhr, Do 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr. (Ausstellung Eintritt frei, Dialogveranstaltungen z.T. mit Eintritt). Zur Präsentation ist ein Buch erschienen (25 Euro). Außerdem bietet das Martin Luther Forum Poster (drei Euro) an. Bücher – zum Beispiel über den Reformator – ergänzen das Sortiment. Führungen während der Öffnungszeiten sind nach Anmeldung möglich, Gruppenbesuche und Führungen außerhalb der Öffnungszeiten nach Vereinbarung. Weitere Infos und Kontakt: 7 84 97 12 oder info@lutherforum-ruhr.de.