Gladbeck. . Auf der Horster Straße kommt Birgit Krüger mit ihrem elektrischen Rollstuhl gut voran. Abgesenkte Bürgersteige und barrierefreie Geschäfte gibt es dort. In den Seitenstraßen jedoch wird es schwieriger. Mancher Bordstein stellt die Brauckerin vor schier unlösbare Aufgaben.
Langsam tastet sich Birgit Krüger nach vorn. Ein parkendes Auto versperrt die Sicht auf die Straße Im Linnerott. Für die Frau im Rollstuhl bedeutet das: erst wenn sie am Auto vorbei ist, kann sie absehen, ob sie die Straße überqueren kann.
Ein durchschnittlich großer erwachsener Fußgänger würde einfach über den Pkw hinwegschauen. Kinder, Kleinwüchsige und Rollstuhlfahrer können das nicht. Weiter geht es. Ein Stückchen weiter, an der Ampel Horster Straße. „Die Grünphase ist extrem kurz“, sagt Birgit Krüger.
Tatsache: Mit ihrem Elektrololstuhl schafft sie die Querung gerade mal so, bevor die Ampel auf Rot springt. „Wer mit dem Rollator unterwegs ist, hat keine Chance“, das weiß sie aus Erfahrung aus der Zeit, als sie noch mit der Gehhilfe unterwegs war. Sie habe schon einmal bei der Stadt angefragt, ob die Grünphase nicht verlängert werden könne. „Die haben gesagt, das sei zu teuer, das koste 800 Euro.“
Im Rolli muss sie beim Überqueren der Straße noch ein Auge auf die Autos haben, die aus der Helmutstraße nach rechts auf die Horster Straße abbiegen – „die sehen mich oft nicht“. Um besser sichtbar zu sein, trägt sie draußen eine Warnweste, sobald es wieder früher dunkel wird.
Gute Busanbindung
Nächster Stop: Bushaltestelle. Birgit Krüger ist viel im öffentlichen Nahverkehr unterwegs, meist wird die begleitet von ihrem Staffordshire-Terrier Ragnar, den sie selbst zum Assistenzhund ausbildet. An der Horster Straße kann sie leicht in den Bus einsteigen, „ich bitte dann den Fahrer, hinten die Rampe herunter zu lassen.“ Die Verbindungen seien auch gut, „alle zehn Minuten fährt ein Bus in die Innenstadt.“
Stufen und Türen sind Hindernisse
Weiter geht es an der Horster Straße. Viele Geschäfte sind nur über Stufen zu erreichen. „Kein Problem, wir kommen auch an die Tür“, sagt ein Mann aus einer Änderungsschneiderei. Kein Problem – so lange die Sonne scheit und jemand die Tür im Blick hat.
Die Tür zur nahegelegenen Bank kann Birgit Krüger als geübte Rollifahrerin zwar öffnen, aber nur mit Mühe. „Das ist sicher unbedacht, für alle, die gehen, ist es ja praktisch“, sagt sie. Besser zu erreichen ist die andere Bank am Kreisverkehr, die hat eine elektrische Schiebetür. „Das ist perfekt.“
Grundsätzlich sei die Horster Straße auch im Rollstuhl gut zu bewältigen, sagt die Brauckerin, die wegen ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung seit anderthalb Jahren auf ihr Gefährt angewiesen ist. Einkaufen zum Beispiel sei gar kein Problem. Die Supermärkte vor Ort sind barrierefrei, zur Bäckerei am Kreisverkehr führt eine Rampe, und auch die Apotheke ist behindertenfreundlich. „Blumen, Friseur, Fußpflege – geht nicht, alle haben Stufen.“ Dass sie immer mal eine Radfahrer ausweichen muss, oder sich an den Stühlen vor dem Eiscafé vorbeiquetschen, daran hat sie sich gewöhnt.
Die Fallen in den Seitenstraßen
An der Horster Straße kommt Birgit Krüger im Rollstuhl gut voran. Anders sieht es in den Seitenstraße aus. Wenn sie mit einem ihrer zwei Hunde spazieren fahren will, muss sie gut planen.
Beispiel Johannastraße. Bis zur Kreuzung Theodorstraße rollt es sich gut. Dann kommt der Bordstein. Der ist an der Kreuzung zwar abgesenkt, aber nicht flach genug. „Denn kann ich nur rückwärts runterfahren“, sagt Birgit Krüger. Spricht’s, wendet, und lässt sich vorsichtig auf die Straße rollen, wobei sie ständig den Verkehr im Auge halten muss.
Bordstein nur rückwärts
Auf der anderen Straßenseite angekommen, wartet die nächste Klippe. Denn den Bordstein kommt sich auch nur rückwärts hoch, ein beträchtlicher Kraftaufwand, denn beim Rückwärtsfahren hilft der Elektromotor nicht. Passanten, die helfen könnten, sind meist nicht in Sicht.
„Spaziergänge plane ich deshalb unter den Gesichtspunkten: Wo komme ich runter, wo hoch“, erklärt sie. Zur allergrößten Not kann die schwerst gehbehinderte Frau noch aus dem Rollstuhl aufstehen und ihn über eine Schwelle heben. Ein „Privileg“, das andere Rollifahrer nicht teilen.
Richtig gerne ist Birgit Krüger übrigens zurzeit in der Innenstadt, besonders an der Hochstraße, unterwegs. „Endlich ist das Pflaster dort eben“, sagt sie freudestrahlend, „ich liebe es, ich könnte da nur noch hin- und herfahren.“