Gladbeck. . Der 1. August 1914, der Tag des Kriegsbeitritts Deutschlands, änderte für die aufstrebende Gemeinde fast alles. Die atemberaubende Entwicklung „vom Dorf zur Stadt“, die Gladbeck vorbildlich absolviert hatte, wurde jäh unterbrochen. Schon am 3. Kriegstag eilten die ersten Gladbecker zu den Waffen.

„Deutschland macht mobil“, titelte die Gladbecker Zeitung am 1. August, einem Samstag – vor genau 100 Jahren –, und feierte den Kriegseintritt Deutschlands überschwänglich. Schon ab dem dritten Mobilmachungstag wurden junge Gladbecker Männer von den Bahnhöfen West und Ost mehrmals täglich mit Sonderzügen zu ihren Einheiten gebracht – vorher gab es Gottesdienste mit Segnungen in St. Lamberti und in der neuen Herz-Jesu-Kirche.

In Buer war ein militärisches Meldeamt eingerichtet worden, in dem Unteroffiziere und Mannschaften anzutreten hatten. Der Kommandierende des VII. Militärkorps übernahm die „vollziehende Gewalt“ in der Kommune. Der Erste Weltkrieg – er traf Gladbeck in einer blühenden Entwicklungsphase, die jäh unterbrochen wurde.

Aus dem bescheidenen Landort war gerade in letzten Jahren zuvor eine aufstrebende, moderne Stadt geworden. Gladbeck befand sich in einer städtebaulich äußerst prägenden Phase. Von 1910 bis 1914 wurden allein 40 Straßen gebaut, die Errichtung einer Kanalisation begonnen. Wichtige, für eine moderne In-frastruktur nötige Einrichtungen wurden realisiert: Schlachthof (1908), Amtshaus (1910), Marthaheim (für Alte und Waisen, 1911), Postamt (1911), Amtsgericht (1913), (Höhere) Schulen. 1911 war die Christuskirche entstanden, 1914 Heilig-Kreuz- und Herz-Jesu-Kirche in den Ortsteilen. Mehr als 53 000 Einwohner zählte Gladbeck zu Beginn des Krieges, darunter über 15 000 Ausländer, vor allem Polen. Gladbeck hatte aber nicht die Stadtrechte, sondern war Amt.

Der Bergbau dominierte – zwei Drittel der Menschen arbeiteten auf den fünf Zechen. Erst 1911 hatte mit der Zeche Zweckel das jüngste Bergwerk die Kohlenförderung aufgenommen. Alle anderen berufstätigen Gladbecker arbeiteten irgendwie für den Bergbau, ob in Industrie, Handel oder Handwerk. Ein Beispiel: Das Sägewerk Küster, das erst kurz zuvor von Kirchellen in die Nähe des Bahnhofes Ost gezogen war, wuchs und wuchs – Küster produzierte mit immer mehr Mitarbeitern Holz, um den Bedarf der Zechen zu decken. Aber trotz des dominierenden Bergbaus spielte auch die Landwirtschaft noch eine große Rolle und prägte weiterhin die Ortsteile.

Gladbeck verfügte 1914 über moderne Verkehrsanbindungen – zwei Bahnlinien (mit den Bhf Ost und West) und zwei Straßenbahnlinien: Seit 1909 fuhr eine Tram nach Horst, von wo es Anschluss nach Essen gab. Von Bahnhof Ost ging es seit 1907 über Scholven nach Buer.

Das Leben in Gladbeck im August 1914

Die Horster Straße hieß Kaiserstraße, die Goethestraße Roonstraße. Auf der Hochstraße kauft man seit 1909 im neuen Althoff. Ferngespräche wurden über das Fernmeldeamt Horst-Emscher vermittelt. Geldgeschäfte erledigte man beim Bankhaus Küster, Ullrich & Co an der Viktoriastraße hinterm Amtshaus.

Am 30. Juli meldete das Postamt, dass Telegramme wegen des Kriegsbeginns Österreich/Serbien kaum noch nach Österreich durchgingen. Die Gladbecker Zechen „vermissten“ am gleichen Tag rund 100 Österreicher, die spontan in ihre Heimat fuhren.

Der deutsche Kriegsbeitritt traf Gladbeck mitten in der Erntephase. Schon drei Tage später klagten die Bauern über einen Arbeitskräftemangel. Lücken schlossen zunächst Schüler. Wenige Tage nach Kriegsbeginn wurde alles teurer, und die Kaufleute nahmen kaum noch Papiergeld an. Folge: Silbermünzen waren Mangelware. Die Spar- und Darlehnskasse forderte auf, Sparbüchsen zu leeren.

Wichtige Veränderungen gab es auch im Kleinen: Noch im Sommer 1914 gab Amtmann Korte bekannt, dass die Gemeinde die Müllabfuhr zentral organisiert – mit einheitlichem Eimer-/Wagensystem. Die Entsorgung war zunächst auf die Innenstadt begrenzt. Was Sinn machte: Denn die Ortsteile, wie wir sie kennen, gab es 1914 so noch nicht, ebenso wenig viele Straßen. Auch hier bestimmte der Bergbau den Takt: Erst mit dem Bau von Bergarbeitersiedlungen legte er die Basis für die Ortsteile. Zunächst in Brauck-Süd, an der Phönixstraße, mit der Eikamp-Siedlung in Renfort und den Bergarbeiterhäuser Kirchhellener Straße. Wenige Häuser standen an der Hegestraße und an der erst kurz zuvor gebauten Horster Straße. Aber auch an der heutigen Voßstraße lebten immer mehr Menschen.

1914 wurde mit dem Bau der Schultensiedlung und der Siedlung Zweckel sowie Brauck B begonen. Aber weite Teile der heutigen Stadt waren und blieben zunächst Äcker mit Kotten und Höfen. Der Krieg hielt die rasante Entwicklung an. Schlimmer: Er sorgte für einen Hungerwinter (1916/17) und für über 800 Tote.