Gladbeck . Das Gladbecker Café Stilbruch bringt das Theaterstück „Sterne baden das Weltall“ des Expressionisten August Stramm auf die Bühne. Der Horror des Ersten Weltkriegs und die Entrückung der Menschen werden intensiv dargestellt. Für das Publikum gibt es erst im sechsten Aufzug einen Moment zum Innehalten.

Kultur muss nicht immer dem Zeitgeist entsprechen. Einen mutigen Versuch wagte das Team des Café Stilbruch, indem es am Sonntagabend das Theaterstück „Sterne baden das Weltall“ des expressionistischen Dichters und Dramatikers August Stramm auf die kleine Bühne des Hauses brachte.

Um es vorweg zu nehmen: Den angekündigten Bogen zum Ersten Weltkrieg hat dieses Drama, das auf Fragmenten des im zugigen Abteil eines Truppentransportzug verfassten Dramas „Geschehen“ basiert, höchst eindrucksvoll geschlagen. In die zum Teil skurrilen Textfetzen, die Stramm eindeutig als einen der Wegbereiter des Dadaismus kennzeichnen, wurden immer wieder Traktate und ganze Passagen der zahlreichen Feldpostbriefe des Dichters integriert.

Intensität des Spiels erschüttert

Stramm reduzierte die Sprache und fordert so Darsteller wie Zuschauer im Extrem. Zuweilen überfordert auch die Sprache und erschüttert die Intensität des Schauspiels von Carsten Bender und Sarah Giese den Zuschauer. Warum Regisseur Alban Renz immer wieder erklärend die Regieanweisungen zwischen die Wortfetzen einstreute und so die Intensität der Aussage und die Kunst der beiden Protagonisten verwässert, bleibt sein Geheimnis.

Das grandiose Spiel der Beiden allein hätte das Thema transportiert, den Weltenstreit, die Urkatastrophe Weltkrieg, die Entfremdung, Entrückung. Die Entwurzelung durch den Krieg, in dem Werte über Bord geworfen werden und in den Gräben der Ostfront landen.

Moment zum Innehalten für das Publikm

Graben-Jargon, Hurra-Pfaffen und Dirnen: Der Brodem des Krieges ist auf der kleinen Bühne zu spüren, zu fassen. Regieassistent Jakob Toebelmann hatte zur Eröffnung „keine gute Unterhaltung“ gewünscht. Er hat Recht behalten, denn der Unterhaltungsbegriff kann für Stramms Werk nicht angewandt werden. Einen Moment zum Innehalten findet das Publikum im sechsten Aufzug, bei der Sterbeszene des Helden. Ist er auferstanden? Ist er der Erlöser?

Umgesattelt vom Postbeamten zum Schriftsteller

August Stramm (1874 – 1915) war zunächst ein hoher Preußischer Postbeamter, bevor er schließlich den Weg zum Schriftsteller einschlug.

Erstaunlich, dass auch Hauptdarsteller Carsten Bender den Quereinstieg in die freie Theaterszene gewagt hat, nach seinen Jurastudium.

Auch Sarah Giese studierte zunächst Kommunikationswissenschaft und Englische Philologie. Sie lehrt nebenbei Sprechkunst an der Universität Münster.

Den Traum der Ewigkeit träumten Millionen von Frontkämpfern vergebens. Auch August Stramm. Am 1. September fiel er bei Horodec, östlich von Kobryn, im heutigen Weißrussland.

„Die Steine feinden, Fenster grinst Verrat, Äste würgen, Berge Sträucher blättern raschlig, gellen Tod“ – so lautet die Todesahnung des Hauptmann Stramm, der als Soldat gar nicht mehr hätte dienen müssen. Er fiel freiwillig. Was bleibt von seinem Werk? Wenig, Ein paar Gedichte und jetzt, eher zufällig, die Premiere dieses Texts, rund 100 Jahre nach dem Ausbruch des Krieges und seines Entstehens. Die wenigen Zuschauer haben einen Theaterabend erlebt, der besonders war – und das in vielerlei Hinsicht.