Gladbeck. Nach den Ferien startet der neue Integrationsrat mit seiner Arbeit. Anfang Juli geriet er durch ein politisches Manöver des Migrationspolitikers Süleyman Kosar (ABI) in die Schlagzeilen. Die WAZ sprach mit Rainer Weichelt, dem auch für die Integration zuständigen Sozialdezernenten der Stadt.

Herr Weichelt, wie steht es um die Integration in Gladbeck?

Rainer Weichelt: Gladbeck ist grundsätzlich auf einem guten Weg. Wir dürfen aber nicht darin nachlassen, denn 25 bis 30 Prozent der Gladbecker haben einen Migrationshintergrund. Und der Anteil wird weiter wachsen, denn von den rund 600 Kindern, die jährlich in Gladbeck geboren werden, haben gut 50 Prozent einen Migrationshintergrund, die größte Gruppe stellen die Muslime mit 35 bis 40 Prozent.

Wo findet Integration statt, wo setzt die Stadt an?

Integration muss auf vielen Feldern stattfinden wie Bildung und Erziehung vorneweg, allgemeine Kultur und vor allem Erweiterung der Sprachkompetenz. Sprache ist der Schlüssel in die Gesellschaft, aber leider wird vor allem in vielen türkischen Familien zu wenig deutsch gesprochen. Das ist auch der Grund, weshalb die Teilhabe dieser Familien an der Gesellschaft geringer ist als es wünschenswert ist.

Was trägt der Integrationsrat zur Integration bei?

Zunächst einmal, er ist wichtig, weil er ein offizielles politisches Organ der demokratischen Teilhabe ist und er dort die Migranten, und zwar ihre gewählte Vertreter, in die Diskussion über die Lebensverhältnisse in unserer Stadt einbindet und Fragen erörtert, die für Migranten wichtig sind. So gelangen Impulse, Botschaften direkt in die Migranten-Communitys, etwa Aufrufe: Bildet eure Kinder aus, sprecht deutsch! Oder ein Beispiel ganz konkret: Über den Integrationsrat gelangte das Thema Spielsucht bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in die türkischen Familien, was so auch zu ersten Veränderungen führte, zumindest zum Problembewusstsein beitrug. Vor allem für die türkische Community ist der Integrationsrat eine wichtige Form der Teilhabe.

Zuletzt geriet der Integrationsrat aber durch die politische Taktiererei der neuen Gruppierung ABI in den Blickpunkt. Wie bewerten Sie das?

Der Rücktritt von Süleyman Kosar aus und seine sofortige Entsendung durch den Rat in den Integrationsrat ähnelt einem politischen Bubenstück. Das führt nicht dazu, dass Vertrauen entsteht, im Gegenteil, es fördert eher Misstrauen. Das war ein Taschenspielertrick mehrer kleiner Parteien.

Was erwarten Sie durch die große Gruppe der ABI-Vertreter im Integrationsrat?

Integration funktioniert nur miteinander. Das war und ist unser Weg. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ABI den Weg beschreiten will, Integration gegeneinander machen zu wollen. Das halte ich für schädlich. ABI führte einen aggressiven Wahlkampf mit einer Ausrichtung, die sich gegen die Mehrheitsgesellschaft stellte. Das bereitet mir Kopfzerbrechen. Integration funktioniert nämlich nur, wenn man gegenseitiges Verständnis und Toleranz aufbietet.

Die WAZ hört sich um in der Stadt

Heute startet die WAZ eine neue Gesprächsreihe: Sommerinterview. Die Redaktion spricht mit bekannten und weniger bekannten Menschen in der Stadt.

Wir uns in den nächsten Wochen ausführlich über verschiedenste Themen unterhalten – mal ganz ernst, auch heiter oder auch mit einem Augenzwinkern.

Woran machen Sie diese ABI-Position fest?

ABI steckt die türkischstämmigen Migranten in die Rolle des Verlierers, der keine Chancen hat. Sie vermitteln das Gefühl, dass sie immer benachteiligt sind, weil die Mehrheitsgesellschaft anderes angeblich nicht zulässt. ABI, offensichtlich von der Erdogan-Partei UETD unterstützt, versteht Integration vor allem als Teilhabe ohne Gegenleistung. Nur Konsumieren ohne Gegenleistung, ohne Beitrag für die Gesellschaft, so kann Integration aber nicht funktionieren. Man muss schon auch selbst aktiv werden als Gladbecker mit Migrationshintergrund und Eigenverantwortung übernehmen.

Wie geht es weiter?

ABI hat jetzt sechs von insgesamt 21 Stimmen, ist zwar die größte Gruppe, stellt aber nicht die Mehrheit. Es gibt ganz andere, konstruktive Kräfte im Integrationsrat, mit denen wir als Stadtverwaltung zusammenarbeiten wollen. Ich glaube, die politische Stimmungsmache der letzten Wochen im Monate wird der Integrationsrat überwinden. Förderung und Teilhabe darf nicht zum Stillstand kommen, sie braucht den nächsten Schub. Das geht nur gemeinsam. Man wird sich mit ABI auseinandersetzen, aber diese Gruppierung wird die Arbeit des Integrationsrates in unserer Stadt nicht aufhalten.