Gladbeck. . Als Chefingenieur bei den Bahn- und Hafenbetrieben der Ruhrkohle entwickelte der Gladbecker Jürgen Maiss eine der ersten Drehstrom-Lokomotiven. 1976 wurde die erste dieser Loks in Gladbeck in Betrieb genommen. Heute ist sie ein Fall fürs Museum: Ein Modell ist nun im Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen zu besichtigen.
Dass es seine Arbeit einmal ins Museum schaffen würde, das hätte Joachim Maiss als junger Mann bestimmt nicht gedacht. Und doch ist es geschehen. Die grüne Lokomotive, die erste mit Drehstromleistungsübertragung, die er einst als Chefingenieur bei RBH konzipierte und in Auftrag gab, kann der 82-Jährige künftig im Eisenbahnmuseum in Bochum-Dahlhausen besuchen.
Geschichte geschrieben hat diese Zugmaschine, die E 1200. 1976 wurde sie bei der BuH (Bahn- und Hafenbetriebe) der Ruhrkohle in Gladbeck in Betrieb genommen. „Meine Lokomotive“ nennt er sie noch heute, die Mutter der „Baureihe 1063“. Für alles, was mit Technik zu tun hatte, war er damals bei den BuH verantwortlich. Die Aufgabe des Ingenieurs bei der Lok-Entwicklung beschreibt er so: „Er muss die Leistung festlegen, die Geschwindigkeit. Das ganze Konzept richtete sich nach den betrieblichen Bedürfnissen.“
Etwa 30 Seiten umfasste das Lastenheft, das er zusammenstellte. „Die Lok musste besonders stark sein, eine hohe Anfahrtzugkraft haben, um auch schwere Züge an Steigungen ziehen zu können,“ ausgelegt auf die Bedürfnisse im Bergbau. Die Züge der BuH übernahmen die meisten Fahrten rund um den Bergbau. „Das Netz zog sich vom Niederrhein bis hinter Dortmund.“
Lange von der Technik geträumt
„Das war keine 08/15-Lok“, sagt er lächelnd. „Von der Art der Technik haben Ingenieure 100 Jahre geträumt.“ Erst Ende der 1960er Jahre war die Zeit reif für die Drehstromtechnik. Und Maiss war einer der ersten, der sich daran wagte. „Gott sei Dank war es ein Erfolg“, sagt er. Als sich dieser herumsprach, seien Besucher aus aller Welt nach Gladbeck gekommen, um das Wunderwerk zu besichtigen bei der Firma, die heute RBH heißt. Gebaut wurde sie übrigens bei Henschel in Kassel, der Motor entstand bei BBC in Mannheim.
Die Technik setzte sich durch: „Heute laufen praktisch alle Lokomotiven mit Drehstromtechnik.“ Dabei waren die Kollegen anfangs gar nicht so enthusiastisch. „Viele haben gesagt: Du hast Flausen im Kopf, das geht gar nicht.“ Davon ließ er sich nicht irritieren. Und der Erfolg gab ihm Recht.
Moderne Loks müssen schneller sein
Die meisten Exemplare der Lok sind mittlerweile außer Betrieb, „die theoretische Abschreibungszeit liegt bei 25 Jahren“, erklärt der Ingenieur. Moderne Zugmaschinen müssten schneller sein als diese, die in der Spitze um 100 km/h schaffte.
„Seine“ Lok hat er aber immer bei sich, wenn auch nur als Modell. Die große im Bochumer Eisenbahnmuseum kann er jederzeit besuchen, auch Vorträge dort sind geplant. Ein weiteres Modell ist im Bundesbahnmuseum in Koblenz zu sehen.
Eines wird im Gespräch schnell klar: Die Schiene lässt Joachim Maiss nicht los. „Einmal Eisenbahner, immer Eisenbahner“, sagt er. „Früher wollte doch jeder Junge Lokführer werden.“
Eisenbahntechnik ist besonders vielfältig
Für Ingenieure, sagt er, sei die Eisenbahntechnik immer reizvoll gewesen, „weil darin alles enthalten war, was Technik heißt“, vom Gleisbau bis zur Feinmechanik, von der Be- und Entladung bis hin zum Stellwerk. „Eine unheimliche Bandbreite“, schwärmt er. Studiert hat der gebürtige Schlesier in Sachsen, 1955 floh er in den Westen, heuerte zunächst bei Siemens an, wechselte aber bereits 1960 in den Bergbau.
Seinem Betrieb blieb auch als Rentner erhalten. Trotz Ruhestand arbeitete er noch zehn Jahre als freier Ingenieur, zum 100-Jährigen der RBH schrieb er mit an der Chronik. „Das war mal ein stolzer Betrieb mit so 1400 Leuten“, sagt er nachdenklich. Die Firma schrumpft seit langem – in diesem Jahr soll der Werkstattbereich dicht gemacht werden. Zusehends endet ein Stück Geschichte, die auch die von Joachim Maiss ist.