Gladbeck. Alt-OB und Ex-MdL Wolfgang Röken tritt nach 38 Jahren im Rat der Stadt zur Kommunalwahl im Mainicht mehr an. Über vier Jahrzehnte prägte der 70-Jährige die Stadtpolitik mit. Der Kampf gegen „Glabotki“ und um die Selbstständigkeit Gladbecks zog ihn in die Politik.
Mit Wolfgang Röken verlässt in diesen Maitagen ein sozialdemokratisches Urgestein die politische Bühne, das in den vergangenen vier Jahrzehnten maßgeblich die Stadtpolitik mitgeprägt hat. Der 70-Jährige zählt zu Gladbecks erfahrensten und etabliertesten Politikern und füllte zuletzt auch die Rolle des Elder Statesman mit Charme und Souveränität aus. Nun zieht sich der Alt-OB und Ex-MdL mit der Kommunalwahl Ende des Monats aus der Politik zurück.
Röken fällt der Abschied nicht schwer, Wehmut gehört nicht unbedingt zu seinem Repertoire. Er war ohnehin immer ein Mann eher der leisen Töne und der ausgleichenden Art und zählte nie zu denjenigen, die rhetorisch scheppernd oder populistisch polternd auftraten, um Politik zu machen. In vielen Funktionen und Ämtern diente er seiner Stadt, bedächtig, aber nachhaltig und immer mit Leidenschaft. „Lust und Leidenschaft gehören zur Politik, sonst kann man das nicht zu lange machen“, sagt der Mann, der 38 Jahre im Rat der Stadt saß und so viel erlebte in der Politik, dass es für zwei Politikerleben reichen könnte.
Und dabei hatte er gar nicht vor, in die Politik zu gehen, als er 1970 – er war gerade Lehrer an der Hauptschule Mitte-Ost geworden – in die SPD eintrat. „Ich war begeistert von Willy Brandt und seiner Politik, ließ mich von der Aufbruchstimmung der 68er anstecken.“ Der spätere Fraktionschef Manfred Braun war es, der ihn in die SPD lockte. Kurz drauf half er, den Bundestagswahlkampf von Hans Wuwer, „meinem väterlichen Freund“, zu organisieren. Als er 1972 Pressesprecher von Ortsverein und Stadtverband wurde, konnte er nicht wissen, dass kurz drauf mit der Neugliederungs-Debatte eines der turbulentesten Kapitel der Stadtgeschichte begann. Und er steckte mittendrin.
Der Kampf um die Selbstständigkeit Gladbecks zog Wolfgang Röken in den Strudel der Politik. Von da an gab es kein Zurück mehr. Mit Braun und dem damaligen Oberstadtdirektor Otto Rump organisierte er den Kampf gegen Glabotki. „Das ging heftig zu damals, auch in der SPD“, erinnert sich Röken an manche Zerreißprobe. Glabotki-Befürworter und -gegner gab es quer durch die Stadt, und die Partei. Am Ende stand das „Nikolaus-Urteil“, das Gladbeck letztlich die Selbstständigkeit zurück gab. „Der Fackelzug und die Kundgebung am Rathaus im Dezember 1975 waren das Bewegendste damals“, so Röken, der von Geheimverhandlungen auf Wittringen berichtet, die Gladbecks Aufnahme in den Kreis Recklinghausen erst ermöglichten.
Für Röken war der Sieg um die Selbstständigkeit der Beginn einer langen politischen Karriere: Nach der Kommunalwahl 1976 wurde er als Neuling im Rat Oberbürgermeister. „Da wurde mir als Newcomer, der ins Wasser geschmissen wurde, schon schummerig“, verrät er. Mit Manfred Braun als Fraktionschef und MdL begann eine Ära in der Stadtpolitik „mit vielen Highlights, die Spuren in der Stadt hinterlassen haben“, so Röken, der 18 Jahre lang an der Spitze des Stadt sehen sollte. „Damals hatten wir Gestaltungsmöglichkeiten, klappte das Zusammenspiel zwischen Stadt und Land bestens“, weiß das ehemalige Stadtoberhaupt noch genau. Röken verweist auf den Bau des Kulturzentrums mit Stadthalle, Bücherei und damaligem Jugendzentrum, auf den Start der Seniorenberatung, die Realisierung der AWo-Begegnungsstätten Brauck und Zweckel, auf den Bau der Stadtgärten und des Gewerbeparks Brauck oder die Etablierung der Musikschule im einstigen Haus der preußischen Berginspektion am Bernskamp.
Wolfgang Röken: Politische Stationen
1970 Eintritt in die SPD, immer (bis heute) im Ortsverein Mitte-Ost. 1972 Pressesprecher. 1975 Mitstreiter um die Selbstständigkeit der Stadt, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Groß-Bottrop.
Ab 1976 Ratsmitglied, Wahl zum OB der neuen, kreisangehörenden Stadt, jüngster OB in NRW. Im gleichen Jahr Wahl zum SPD-Stadtverbandsvorsitzenden, was er 25 Jahre bis 2001 blieb.
Sechs Jahre lang war er OB, zwölf Jahre Bürgermeister bis 1994. Solange war bislang keiner Stadtoberhaupt in Gladbeck. 1995 wurde er für 15 Jahre MdL. Darüber hinaus war er 17 Jahre Mitglied des Kreistages und der Verbandsversammlung.
Stolz ist Röken auf die Städtepartnerschaften, die er mit anstieß – zu Wodzislaw in Polen und Alanya in der Türkei. „Da haben wir jeweils Neuland betreten“, beteuert der Sozialdemokrat, für den Städtepartnerschaften immer sowas wie „kommunale Außenpolitik“ ist. Das bedrückendste Erlebnis seiner Amtszeit sei der Rückzug von Siemens gewesen. „Der Konzern hätte mehr tun können.“ Selbstkritisch geht Röken mit seinem „Ausflug“ zum VRR, dem Verkehrsverbund Rhein Ruhr, um. „Rückblickend war das ein Fehler, den ich bereue“, sagt er. Ein halbes Jahr stand er an der Spitze des VRR und trotzte einer, wie er sagt, politischen Kampagne gegen ihn. „Am Ende wollte ich das politische Spießrutenlaufen meiner Familie nicht me-hr zumuten.“ Röken trat ab und übernahm wieder die Leitung der Hauptschule Zweckel, die er Jahre zuvor übernommen hatte.
Nach dem Machtwechsel ‘94 (mit CDU-Bürgermeister Schwerhoff) „beerbte“ Röken Manfred Braun als MdL. Dreimal zog er in den Landtag ein, leitete als erster Gladbecker dort einen Ausschuss. Erst als MdL wurde er Berufspolitiker. „Bis dahin war Politik Ehrenamt.“ Bis heute sieht er die neue Gemeindeordnung mit hauptamtlichem Bürgermeister kritisch. „Wichtig ist ein starker Rat“, sagt Röken, der dem Gremium all die Jahre die Treue hielt.
Röken wird sich weiter engagieren
Wolfgang Röken zieht sich aus der Politik, aber nicht aus der Öffentlichkeit zurück. Er bleibt weiter Vorsitzender des Jazzclubs, was er bereits seit über 20 Jahren ist. Auch im Freundeskreis Gladbeck/Alanya, den er mit Müzeyyen Dreessen führt, bleibt er engagiert.
Radfahren wird man ihn weiter oft sehen, „das gehört zu meinen Hobbys“. Und natürlich werde er weiter viel reisen mit seiner Frau Gudrun. „Die Familie“, gibt er zu, „kam in dem Politikerleben immer zu kurz.“ Bedrückend für ihn, aber vor allem für die Familie, sei der Anschlag auf sein Haus in Rosenhügel 1982 gewesen. Bis heute blieb der Fall ungeklärt. Röken vermutet aber keine politischen Hintergründe.
Die oft gehörte Kritik, die Politik der 80er Jahre unter seiner und Manfred Brauns Führung sei Betonpolitik gewesen, lässt Röken nicht gelten. „Das war uns nur angedichtet worden.“ Richtig sei: Es wurde mehr gemacht und straffer geführt.